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Alles andere als handycapiert

Lea Mehli ist mit nur einer Hand geboren und meisterte ihren Alltag trotzdem wie alle anderen. Jetzt trägt die 26-jährige Bündnerin eine Hightech-Prothese, die sie mit ihren Gedanken steuern kann – gar nicht so einfach.

08.03.20 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Zu den Hobbies von Lea Mehli gehört Yoga - Nun auch mit zwei Händen.
Zu den Hobbies von Lea Mehli gehört Yoga - Nun auch mit zwei Händen.
LEA MEHLI

«Mit Durchsetzungsvermögen und Willen kann man vieles lernen.» Das sagt Lea Mehli. Mit nur einer Hand geboren, hat sie gelernt, Dinge auf eine andere Art zu machen, als ihre Mitmenschen mit zwei Händen. Seit letztem September trägt die Churerin eine Prothese, die ihren linken Unterarm und die Hand ersetzt. Mit ihren Gedanken, einer App und viel Übung kann sie die Prothese steuern.

«Ich hatte nie das Gefühl, dass mir etwas fehlt», sagt Mehli, denn ausser wenigen Dingen wie Gemüse schnippeln oder Fleisch schneiden, konnte sie mit nur einer Hand alles machen. In ihrer Freizeit macht sie viel Sport, etwa Joggen und Yoga. Seit letztem Juli wohnt sie gemeinsam mit ihrem Freund in Österreich und arbeitet dort als Kindererzieherin. Ihr Freund war es auch, der sie auf eine Prothese aufmerksam gemacht hat. «Er hat mir Instagram-Accounts von anderen Frauen mit Armprothesen gezeigt und so mein Interesse geweckt», sagt Mehli. Weil sie immer alles machen konnte, habe sie sich bis dahin nie überlegt, eine Prothese zu tragen. In ihrem Beruf als Kindererzieherin würden die Kinder fragen, wenn sie sie zum ersten Mal sehen, wieso sie auf der linken Seite keine Hand und keinen Unterarm hätte. Dann erkläre sie den Kindern die Umstände und für diese sei es danach erledigt und völlig normal.

Zuerst Grobmotorik, dann Feinmotorik

Die Hightech-Prothese funktioniert mit Elektroden, die sich in der Prothese befinden. Diese berühren die Haut und nehmen so Muskelbewegungen wahr und leiten Impulse in die Finger weiter. Die Prothese verfügt über 24 Griffmuster. Vier kann Lea Mehli mit den Gedanken steuern und per App ändern. Zurzeit befindet sich ihre Prothese in der Schweiz, da die Grösse angepasst werden muss. Aber ansonsten übt Mehli 15 Minuten pro Tag, mit der Prothese Dinge aus dem Alltag zu machen. «Es ist sehr anstrengend», sagt Mehli und fügt hinzu: «Ich muss Nerven anspannen, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie habe.» Ausserdem sei jetzt ein Kilo mehr am Arm, das nie da war. «Eine Schwierigkeit ist, dass ich kein Gefühl in der Hand habe und somit lernen muss, wie fest ich zudrücken kann.» So sei es etwa schwierig, ein Ei in die Hand zu nehmen. «Das Feingefühl muss ich noch entwickeln», sagt Mehli. Zuerst müsse sie aber die Grobmotorik üben.

Zu den Vorteilen der Prothese gehört für Lea Mehli zum Beispiel, Wäsche aufhängen zu können. «Ich bin mit der Prothese schneller, da ich jetzt für eine Arbeit den gleichen Weg nur noch einmal laufen muss und nicht mehr zwei- oder dreimal. Ich kann mehr tragen.» Das Ziel von Mehli ist es nun, selbständiger zu werden. So will sie etwa lernen, im Restaurant ohne Hilfe Pizza zu schneiden. «Das ist etwas, das ich einfach nicht kann.»

Um dieses Ziel zu erreichen, muss Mehli noch viel üben, wie sie sagt. «Es ist wie bei anderen Sachen auch: Mit Willen und Durchsetzungsvermögen kann man vieles lernen. Ich habe jetzt zehn Finger und nicht mehr nur fünf.»

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