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Kuriose Multifunktions-Gehstöcke im Spielzeug Welten Museum Basel

Spazierstöcke, die sich als Flöte nutzen oder aus denen sich medizinische Instrumente ziehen lassen: Das nach der Zwangspause wiedereröffnete Spielzeug Welten Museum Basel entführt mit einer Sonderausstellung in die «unglaubliche Welt der Systemstöcke».

Agentur
sda
13.05.20 - 15:48 Uhr
Leben & Freizeit

Heute geht kaum jemand mehr mit einem Geh- oder Spazierstock auf die Strasse. Gehbehinderte haben ihren Rollator dabei und als Modeaccessoire hat er längst ausgedient. Das war besonders im 18. und 19. Jahrhundert noch ganz anders. Damals gehörten zum Teil reich verzierte Stöcke zur Standardausrüstung flanierender Damen und Herren der guten Gesellschaft.

Und wer es sich leisten konnte, hatte einen System- oder Funktionsstock an der Hand. Damit sind Spazierstöcke gemeint, die weit mehr waren als Gehhilfen oder Schmuckstücke. Als wären sie analoge Vorläufer der heutigen Smartphones, die ja nur nebenbei als Telefone genutzt werden, vereinten sie die unterschiedlichsten Zusatzfunktionen.

Diesen «Stöcken mit Innenleben» oder «Seele» widmet das Spielzeug Welten Museum Basel zur Wiedereröffnung nach der Zwangspause wegen den Pandemiemassnahmen eine Sonderausstellung. Die Schau mit dem Titel «Der Spazierstock mit Geheimnis. Die unglaubliche Welt der Systemstöcke» vereinigt über 250 Exemplare aus verschiedenen, offensichtlich reich bestückten Privatsammlungen aus der Region Basel.

Die Welt dieser Spazierstöcke offenbart tatsächlich schier «Unglaubliches», wie der Ausstellungstitel verspricht. Zu bestaunen sind praktische, martialische und vor allem kuriose Exemplare, die zu einem grossen Teil auch ästhetisch zu glänzen vermögen.

Zu den kuriosen Exemplaren gehören zum Beispiel die «Gadgets Canes» (Spielzeug-Gehstöcke). Da gibt es Stücke mit Hundeköpfen als Knauf, die auf Knopfdruck ihr Maul aufreissen oder Totenschädeln, die mit den Augen rollen. Am bekanntesten sind wohl die Stöcke mit verborgenen Waffen: Degenklingen, die sich aus dem Stock ziehen liessen, oder verborgene Pistolen, welche die Stockträger unvermittelt zücken konnten.

Stock und Klarinette in einem

Am Faszinierendsten sind aber die präsentierten Stöcke mit praktischem Zusatznutzen - obschon man über das Praktische von Fall zu Fall sicher streiten könnte. Dazu gehört zum Beispiel ein Stock des Basler Instrumentenbauers Ulrich Ammann (1766–1842), der sich auch als Klarinette nutzen liess. Ein weiterer Musikstock vereint mit Ukulele und Flöte gar zwei Instrumente.

Für ausgedehnte Spaziergänge erwiesen sich sicherlich die Stöcke mit einem Kompass im Knauf als praktisch. Die feine Dame konnte die integrierte Puderdose oder den ausklappbaren Fächer gut gebrauchen, während der Stock mit integriertem Rasierpinsel und Seifenbehälter wohl weniger oft zum Einsatz kam.

Als Arzt hatte man mit dem Medizinstock die halbe Praxiseinrichtung mit auf dem Weg - mit Spritze, verschiedenen Skalpellen und vielen weiteren chirurgischen Instrumenten. Sehr verbreitet waren schliesslich Stöcke mit integrierten Schnapsfläschchen samt Trinkglas. Der berühmte Maler Henri de Toulouse-Lautrec (1864-1901) soll einen mit einer Halbliter-Reserve an Absinth mit sich getragen haben.

Die Ausstellung im Spielzeug Welten Museum Basel dauert bis zum 4. Oktober.

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