×

Das andere Virus

Wer gedacht hat, dass das Coronavirus die einzige aktuelle weltweite Epidemie ist, liegt falsch. Denn in Lexis Leben hat sich eine ganz andere Krankheit breit gemacht.

Südostschweiz
22.08.20 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Hat Euch die Seriensucht erstmal erwischt, gibt es nicht viele Heilungsmöglichkeiten.
Hat Euch die Seriensucht erstmal erwischt, gibt es nicht viele Heilungsmöglichkeiten.
SYMBOLBILD/UNSPLASH

von Lexi*

Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sich in dieser Kolumne aussergewöhnlich viele Rechtschreibfehler eingeschlichen haben. Sorry. Grund dafür sind Konzentrationsschwierigkeiten aufgrund der Infektion mit einem europaweiten, vermutlich fast weltweiten Virus. Aber lass mich das erklären.

Serienjunkies, die ganze Tage und Nächte durchsuchten, sich nicht mehr von ihrem Sofa oder Bett wegbewegen und irgendwann nach drei Wochen wie halb Verwilderte aus der Versenkung auftauchen, kann ich normalerweise nicht ganz verstehen. Nicht meine Welt, sage ich dann normalerweise. Corona-Zeiten sind aber auch keine normalen Zeiten. Denn ich hatte ausnahmsweise einmal Zeit. Ein kostbares Gut, das mir während dem Semester eigentlich immer fehlt.

Doch dann geschah etwas Tragisches. Ich wurde ungewollt mit dem Erreger einer weltweiten Epidemie namens Seriensucht infiziert. An einem unscheinbaren Mittwochabend sass ich mit meinem Vater im Wohnzimmer, als er die Serie «Blacklist» schaute. Leute, ich sag’s euch, dieses Virus ist so was von hochansteckend. Bereits kurzer Sichtkontakt reicht aus.

Hat man sich einmal infiziert, gibt es genau zwei Heilungsmöglichkeiten: Entweder man trägt eine Augenmaske und spart sich die Serie bis zu einem passenden Zeitpunkt auf, oder man suchtet so schnell wie möglich die ganze Staffel durch, bis eine Herdenimmunität erreicht ist. Der Bundesrat würde hier natürlich einen humanen Mittelweg suchen. Den gibt es in diesem Fall aber nicht.

Meine Wahl fiel also auf Letzteres, denn das Zeitfenster von Semesterferien und einem reduzierten Arbeitspensum ist begrenzt. Auf einen Impfstoff zum Semesteranfang zu hoffen, schien mir utopisch. Denn dafür hätte ich schliesslich nach Russland reisen müssen und das kommt wegen meines Studentenportemonnaies und der Unfähigkeit zur Organisation von so einem Riesentrip nicht in Frage.

Seither lebe ich genau so, wie ich dachte, dass ich niemals werde. Abgesehen von den körperlichen Symptomen sind die Auswirkungen auf den Alltag nicht einmal unterschiedlich zum Coronavirus. Social Distancing passiert quasi automatisch, da man gefühlt 24/7 mit Kopfhörern und Bildschirm vor der Nase rumläuft. Vorzugsweise verbringt man alleine Zeit in seinem Zimmer und mit Abstand zu den Mitbewohnern. Mögliche weitere Symptome sind Kopfschmerzen von Strassenlaternenpfosten, in die man reingelaufen ist, während man auf den Bildschirm gestarrt hat, und Konzentrationsprobleme, weil die Serie auf irgendeinem Gerät im Hintergrund immer weiterläuft.

Wenn man beim akuten Anfall von einer Krimiserie wie «Blacklist» doch mal das Haus verlässt, um einzukaufen oder Sport zu machen, ist man leicht ungechillt drauf, weil man hinter jeder Ecke einen potenziellen Serienkiller, Psychopathen oder Entführer vermutet. All die Maskenträger mit Sonnenbrille tragen da nicht gerade zur Symptomlinderung bei.

Zur Eindämmung dieses Virus werden von der Lexi Taskforce des Serienamts (kurz LTSA) folgende Schutzmassnahmen empfohlen: Löschen Sie das Netflix-Konto und die dazugehörige App auf all ihren Mobilgeräten. Halten Sie einen Mindestabstand von einer Zimmerwand zu Ihrem Fernseher. Verbieten Sie Gespräche über allfällige Serien in ihrem Freundeskreis.

Ob ein regelmässiges Desinfizieren der Hände die Ansteckung mit der Seriensucht verhindern kann, versuche ich gerade noch herauszufinden. Die Chancen stehen leider schlecht. Verlässliche Studien dazu werden aber erst nach meiner Beendigung der sechs (!!!) Blacklist-Staffeln publiziert.

*Lexi ist das Pseudonym einer 20-jährigen Molliserin, die einen Internet-Blog in Jugendsprache führt: http://lexilike.blogspot.ch.

 

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Leben & Freizeit MEHR