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Unvergesslich schöne Augenblicke

Bernhard Petschens Erlebnisse und Gedanken zum ersten Hochjagdtag.

Bündner Woche
15.09.22 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Robert Candinas (rechts) und ich vor der Jagdhütte in der Val Sumvitg.
Robert Candinas (rechts) und ich vor der Jagdhütte in der Val Sumvitg.
Bernhard Petschen

von Bernhard Petschen

Die erste Woche der Hochjagd liegt bereits hinter uns. Während einige Jägerinnen und Jäger sich über Jagderfolg freuen dürfen, haben andere nur unerlaubtes Wild beobachten können oder gar nichts gesehen. So ist nun mal die Jagd. Auch bei meinem Jagdfreund Robert Candinas und mir als passionierte Jäger hat sich einiges ergeben. Doch nun alles der Reihe nach.

Wie überall in den Bergen spüren auch wir in unserem Jagdgebiet in der Val Sumvitg den Herbst, der sich langsam von seiner wunderschönen Seite zeigt. Die Nächte sind kälter geworden und die Tage kürzer. Seit Jahren gehen wir im selben Gebiet auf die Hochjagd und durften uns immer wieder über Jagderfolge freuen. Die Hütte in der Val Dadens ist für die Jagd eingerichtet. Der Feldstecher, das Fernrohr und der Stutzer sind aufgehängt. Nun freuen wir uns auf den ersten Tag der Jagd, der beim Erscheinen dieses Artikels schon über eine Woche zurückliegt.

Der erste Jagdtag

Es könnte so schön sein. Das warme Bett, die wunderschönen Träume, wenn nicht mein Wecker in aller Herrgottsfrühe ununterbrochen die Glocken von Rom ertönen liesse. Sie reissen einen fast aus dem Bett. Diese kurze Aufwachzeit wird mit einem heissen Kaffee versüsst. Vor der Hütte wird das Gewehr geschultert, nun ist er da, der erste Jagdtag.

Robert Candinas hat in den letzten Tagen nicht weit von der Hütte Gämsen beobachtet und will dort sein Glück versuchen. Währenddessen liegt vor mir ein sehr weiter Weg ins Jagdgebiet. Nun trennen sich unsere Wege. Naja, das kann nur gut kommen.

Der Morgennebel ist da und bahnt sich seinen Weg durch den immer noch dicht belaubten Wald. Es ist frisch und der Himmel beginnt sich aufzuhellen. Eigentlich ist dies das perfekte Wetter, um auf die Pirsch zu gehen, aber für den Moment verweile ich seelenruhig im Hochsitz und versuche, meine verschwitzten Kleider zu wechseln.

Emotionaler Augenblick

Von weiter Ferne beobachte ich Gämsen. Robert Candinas ist eher der Gäms- und ich der Hirschjäger, und dort, wo er Ansitz hält, ist der ideale Ort, wo Gämsen aus dem Dickicht treten.

6.25 Uhr. Im Tal höre ich den ersten Schuss. Mein Jagdfreund kann es nicht sein und kaum habe ich das gedacht, ertönt nicht weit von mir der nächste Schuss. Das kann nur Robert Candinas sein, da bin ich mir sicher. Wenige Augenblicke später ruft er mich an. «Ich habe einen Gamsjährling geschossen.» Er erzählt später, dass sich, kaum angesessen, auch schon der erste Gamsbock blicken liess. Später trat bereits das weibliche Gamsjährling aus dem Wald. Ich bin so froh und glücklich, dass mein Jagdfreund bereits am ersten Morgen Glück hat.

Robert Candinas mit seinem Gamsjährling.
Robert Candinas mit seinem Gamsjährling.

Unerlaubtes Wild

Nun, ich bin noch auf meinem Hochsitz und finde die Zeit, um ein Buch zu lesen. Mein Vater hatte mir gesagt, dass ein Jäger viel Sitzleder brauche. Wenn nichts komme, solle ich einfach warten und die wunderschöne Landschaft geniessen. Ich geniesse in dieser Zeit vor allem die Ruhe, sie ist für mich das Wichtigste. Es macht mir nichts aus, stundenlang auf einem Posten zu sitzen.

Gegen 8 Uhr höre ich etwas rascheln. Was kann das wohl sein? Es dauert wenige Minuten und aus dem Wald tritt eine Hirschkuh mit Kalb. Was für ein Anblick, aber eben, keine erlaubten Tiere.

Gedanken zur Jagd

Während des Ansitzens kommen mir immer wieder Gedanken zur Jagd. Es gibt Befürworter der Jagd, Gegner der Jagd, und Leute, die nichts über die Jagd wissen und denen sie egal ist. Dann gibt es noch die, die von der Jagd nichts wissen und trotzdem Experten sind. Was vor einigen Jahren ganz normal war, ist nun abnormal, und was abnormal war, ist nun normal. Und wie weiter mit der Klimaerwärmung? Und der Stromversorgung? Und dem Wolf? Und die Menschen, die uns Jägerinnen und Jäger lieber auf den Mond schiessen würden? Und, und, und ... Ich versuche, meine Gedanken zu sortieren, und freue mich an der Gegenwart. Ach ja, waren das noch Zeiten, als ich mit meinem Vater auf die Jagd gehen durfte. Damals konnte man noch mit dem Wild durch das Dorf ziehen, bevor man zum Metzger fuhr. War das für uns Kinder eine Riesengaudi.

Drei Wochen Hüttenleben

Gegen Mittag treffen wir uns vor der Hütte. Mit Freude umarme ich meinen Jagdfreund und gratuliere ihm zum Jagderfolg. Was für ein Morgen. Nun wird noch der obligatorische Papierkram erledigt, der Fahrer organisiert, der Metzger angerufen und anschliessend noch Fotos gemacht. Uns ist bewusst, dass wir dem Wildtier zwar das Leben nehmen. Aber wir erweisen jedem erlegten Wild unseren Respekt, eine letzte Ehre, indem wir einen Tannenzweig in sein Maul legen.

Robert Candinas und ich passen gut zusammen. Wir geniessen die Hochjagd und auch das Hüttenleben. Das ist genauso wichtig wie die Jagd. Vor allem die geselligen Abende in der Hütte geniessen wir mit einem guten Essen, und wenn uns jemand besucht, werden die Abende zwar immer etwas länger, aber dafür wird am Morgen ausgeschlafen. Für uns – egal wer Jagdglück hat – sind das wunderschöne, emotionale Augenblicke, welche wir nie vergessen werden.

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