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Muskelkater – oder warum Golf ein Sport ist

Roman
Michel
06.08.20 - 04:30 Uhr
Technik geht vor Kraft: Beim Golfabschlag zählt jedes Detail. PRESSEBILD
Technik geht vor Kraft: Beim Golfabschlag zählt jedes Detail. PRESSEBILD

Teuer, elitär, versnobt - kaum eine Sportart ist derart mit Vorurteilen behaftet wie das Golfen. Zurecht? Unser Sportjournalist Roman Michel will’s wissen und macht diesen Sommer den Selbsttest. Von 0 bis zur Platzreife. 

Okay, ich geb's zu. Ich hatte am Sonntag Muskelkater. Nicht einfach ein bisschen. Nein richtig. So richtig, dass es kaum am Wäscheaufhängen am Vortag lag. Wohl auch nicht am mehrmaligen Bücken, um die paar wenigen 1.-August-Raketen in die Luft zu lassen. Und erst recht nicht am Wenden der Fleischspiesse auf dem Grill. Bleiben nur noch die je rund zwei Stunden auf dem Golfplatz an den Tagen zuvor. Golf? Muskelkater? Es ist noch nicht lange her, da habe ich gelacht, als mich die Verkäuferin im Shop des Golfklub Heidiland vor meiner ersten Golflektion vor den möglichen körperlichen Folgen warnte. Kann nicht sein, dachte ich mir. Im Nachhinein ist man immer schlauer. Was für eine abgedroschene Redewendung. Aber eben: Sie hat etwas Wahres.

Ball für Ball: Golfen kann in die Muskeln gehen. PRESSEBILD
Ball für Ball: Golfen kann in die Muskeln gehen. PRESSEBILD

Doch was schreibe ich hier von Muskelkater? Morgen Freitag gilts ernst. Praxisprüfung, Teil 1. Zur Erklärung brauchts einen kurzen Exkurs in den «Golf-Slang».

  • Aufgabe 1: Pitchen ins Green. Übersetzt: Jener Schlag, mit dem man den Ball aus etwa 20 bis 30 Meter ins Grün spielt.
  • Aufgabe 2: Putten. Übersetzt: Jener Schlag, mit dem man den Ball aus kurzer Distanz einlocht. Wie Minigolf (ach wie schön, gibt es im Golf keine Löcher auf einem Vulkan oder sonstige abstruse Hindernisse). Je drei Bälle aus drei, sechs, respektive neun Meter gilt es mit total 21 Schlägen zu versenken. Heisst pro Ball ... lassen wir es.
  • Aufgabe 3: Abschlag. Übersetzt: ähm, braucht es nicht. 60 Meter weit soll der Ball fliegen. Mindestens. Und hier beginnt die Geschichte mit dem Muskelkater. Als ich Paul, mein PGA Professional (übersetzt: Lehrer), in unserer letzten gemeinsamen Unterrichtsstunde meinen Abschlag vorführen wollte, ging gar nichts mehr. Und Paul? «In einer halben Stunde haben wir das.»
Videoanalyse: Gehört zu den Golflektionen wie das Üben auf dem Platz. PRESSEBILD
Videoanalyse: Gehört zu den Golflektionen wie das Üben auf dem Platz. PRESSEBILD

Videoanalyse. Die Arme sind zu stark gestreckt, nicht locker genug. Das Kinn muss etwas mehr nach oben. Die Arme leicht zurück. Es geht um Details. Um Millimeter, die sich in ein paar Meter Länge umwandeln sollen.

Üben vor dem Spiegel. Immer wieder schlage ich einen imaginären Ball vom Rasenteppich. Beobachte mich dabei selbst. Und komme mir ziemlich ungelenk vor.

Eisen auf die Seite. Trockenübungen. Paul drückt an meiner Schulter. Und ich spüre erstmals die Vorzeichen von Muskelkater.

Eisen in die Hand. Zurück auf den Rasen. Checkliste. Arme locker. Schultern zurück. Kinn hoch. Arm beim Schwingen parallel zum Boden. Gestoppt habe ich nicht. Aber die halbe Stunde dürfte ziemlich exakt gewesen sein.

Korrekturen beim Abschlag: Aus Millimetern sollen Meter werden. PRESSEBILD
Korrekturen beim Abschlag: Aus Millimetern sollen Meter werden. PRESSEBILD

Es ist eindrücklich, wie schnell man im Golf Fortschritte machtIn diesem Sport, der von aussen immer so elegant und darum auch schwer aussieht. Eines habe ich schnell gemerkt: Nur mit Kraft läuft wenig. Es braucht zu Beginn ein paar Lektionen bei einem professionellen Golflehrer. Und es braucht die Disziplin, zwischendurch auch mal alleine aufs Übungsgelände zu gehen – und Ball für Ball Richtung Himmel zu schlagen.

Womit wir zurück beim Muskelkater sind. Früher sagte ich jeweils, ein Sport ist nur ein Sport, wenn es nach den ersten zwei, drei Trainings Muskelkater gibt. Womit klar ist: Ja, Golf ist definitiv ein Sport.

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