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Was soll der Spiegel über dem Bett?

Single
Böckin
22.05.18 - 04:30 Uhr
Wohnen

Bau ein Haus, pflanz einen Baum, mach ein Kind – dass dieser Lebensentwurf nicht zwangsläufig auf jeden Menschen zugeschnitten ist, beweisen die anonymen Liebesbriefe ans wunderschöne, elende Single-Leben. Ein Hoch auf Selbstgespräche, Dosen-Ravioli und Liebeleien.

Eine Freundin erzählte mir kürzlich, dass sie sich erneut mit diesem Typen getroffen hatte, von dem sie schon einige Male geschwärmt hatte. Wir nennen ihn jetzt einfach mal Gian. Gian schien ein toller Fang zu sein. Er war lustig, küsste offenbar so gut, dass meine Freundin ständig weiche Knie hatte und schien auch sonst so einiges auf dem Kasten zu haben. Aus Jugendschutzgründen lassen wir die Details nun aber doch weg.

Meine Kollegin – nennen wir sie Gianna – war bereits mehrfach bei Gian zu Hause gewesen. Allerdings hatten es die beiden Turteltauben bis vor kurzem nie in sein Zimmer geschafft. Sein Mitbewohner war stets verreist und so «entdeckten» sie die ganze Wohnung. An einem Wochenende war Gian dann aber doch nicht mehr alleine zu Hause und so durfte Gianna auch mal sein Zimmer von nahem «begutachten». Was sie allerdings entdeckte, als sie auf seinem Bett lag, verschlug ihr dann kurzzeitig die Sprache. Liebe Leserinnen und Leser, ich erzähle hier nicht etwa die Story eines schlechten Hollywood-Films nach, sondern dokumentiere das Leben einer Single-Kollegin!

Nun also, was fand Gianna in Gians Zimmer vor, als sie zunächst noch tiefenentspannt auf sein Bett fiel?! Tatsächlich blickte ihr in der nächsten Sekunde ihr Spiegelbild entgegen. Gian hatte sich doch tatsächlich einen Spiegel an die Decke montiert. Einen Spiegel! Also ich für meine Wenigkeit kenne solche Situationen nur aus schlechten Filmen oder Pornostreifen. Wer klebt sich bitte einen Spiegel an die Decke?!

Man kann mit jetzt für altmodisch halten, aber ich bin nicht der Typ für 360-Grad-Ansichten während des Liebesaktes. Ich bin auch dagegen, dass der Fernseher währenddessen läuft. Man schaut einfach zwangsläufig hin. Wie bei einem Autounfall – da kann man auch nicht einfach wegschauen.

Aber ich musste kürzlich selbst feststellen, dass es als Single heutzutage wohl etwas anders läuft, als dies in der Generation unserer Eltern noch der Fall war. Damals traf man sich – so wird es zumindest überliefert – noch zu ausgedehnten Spaziergängen, Kino- und Dinner-Abenden und sonstigen zuckersüssen Dates. Im besten Falle verliebten sich die beiden Akteure, heirateten, bauten ein Haus und wurden Eltern.

Heute ist dies ganz anders. Meine Mutter quietscht zwar jedes Mal vor Vergnügen, wenn ich ihr wieder einmal eine Episode aus meinem Liebesleben erzähle, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich diese gut finden soll. Was ist nur los mit unserer Generation? Versucht man einen Mann für ein Feierabendbier zu begeistern, winkt dieser nur kurz ab und erklärt, dass er für die Kiste, aber nicht für ein Bier zu haben ist. Na mindestens braucht es für fünf Minuten Spass keinen Heiratsantrag mehr, aber wo bleibt denn da die arme Wirtschaft? Ohne Kino-Dates, Abendessen und Feierabend-Drinks geht nicht nur unsere Romantik, sondern auch die Wirtschaft bachab!

Bevor wir aber nun über das Schweizer BIP sprechen, komme ich wieder zurück zu Gianna und dem Spiegel. Ich nehme an, dass auch Ihr nun gespannt seid, wie ihre Reaktion auf das Ding an der Decke ausfiel. Na, wie wohl? Wie ein Single im Jahr 2018 reagiert. Er lacht kurz, geniesst den Abend und überlegt sich, ob er sein Tinder-Profil anpassen muss. Nebst «Bitte keine ONS» könnte also künftig auch stehen: «Bitte keine Spiegel an der Decke».

 

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