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Kann man Beziehungen verlernen?

Single
Böckin
27.01.21 - 16:30 Uhr
PIXABAX
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Bau ein Haus, pflanz einen Baum, mach ein Kind – dass dieser Lebensentwurf nicht zwangsläufig auf jeden Menschen zugeschnitten ist, beweisen die anonymen Liebesbriefe ans wunderschöne, elende Single-Leben. Ein Hoch auf Selbstgespräche, Dosen-Ravioli und Liebeleien.

Ich bin mir nicht sicher, ob das möglich ist, aber ich glaube, ich habe verlernt, was es heisst in einer Beziehung zu sein. Die Zeitspanne, seit der ich Single bin, hält mittlerweile so lange an, dass ich mir einen anderen Zustand schlicht nicht mehr vorstellen kann. Hinzu kommt, dass ich alleine wohne, was dazu führt, dass ich mich zu Hause nur meinen eigenen Regeln fügen muss.

Ich habe letztens am Sonntag im Bett darüber sinniert, dass es heute doch ganz schön wäre, würde mir jemand den Kaffee ans Bett bringen. Primär, weil ich nicht aufstehen wollte und es unter der Decke so schön warm war. Den Gedanken habe ich weitergesponnen und plötzlich ist es mir urkomisch vorgekommen, wäre jetzt eine zweite Person neben mir im Bett. Der Gedanke daran, den Sonntag nicht allein in meiner eigenen Welt verbringen zu können, hat mich komplett überfordert. Schlussfolgerung: Ich glaube nicht, dass ich mich jetzt einfach so von null auf hundert in eine Beziehung stürzen könnte.

Sollte der Fall tatsächlich eintreten, dass sich im Departement der Liebe etwas regt, bräuchte ich wahrscheinlich eine Eingewöhnungsphase. Und ein Lehrbuch. Das kleine Ein mal Eins zur erfolgreichen Beziehung. Vielleicht spuckt YouTube auch ein Tutorial aus. Ich habe mir über die Jahre hin antrainiert, das meiste alleine zu schaffen und brauche auch die Zeit, in der ich mich abkapseln kann. Wäre da plötzlich eine weitere Person in meinem Leben, die durch meine gewohnte Routine bricht, würde mir das wohl schwerer fallen als es mir lieb ist.

Klar, es würde nicht gleich damit starten, dass man zusammenzieht und dann vor den Altar tritt, aber die Zeit, die man zusammen verbringt ist dann doch nicht gering. Immerhin ist das der Sinn einer Beziehung. Zusammen Zeit zu verbringen. Wenn ich mir die Liebschaften meiner Freund*innen so anschaue, dann habe ich das Gefühl, es ist das non plus Ultra, jede mögliche Sekunde aneinander zu kleben. Für mich hingegen ist es schon eine Ausnahme, wenn ich jemanden zweimal pro Woche für ein paar Stunden sehe. Ich bin anschliessend auch immer ein klein wenig froh, wenn ich mich nur mit mir selbst auf dem Sofa zurückziehen und mich von stumpfen Serien berieseln lassen kann.

Es ist nicht so, dass ich es nicht schön finden würde, jemand an meiner Seite zu haben, aber es wäre ungewohnt. Ein klein wenig einschüchternd gar. Ich tu mich sowieso schwer mit Veränderungen und das wäre ein drastischer Einschnitt. Da ich mich an Gewohnheiten festkralle, würde es mir wohl auch nicht so einfach fallen, loszulassen. Jemandem Eintritt in meine kleine Blase zu gewähren. Meine Privatsphäre und Zeit allein zu opfern. An der Phrase «Lassen wir es langsam angehen» werde ich wohl bei der nächsten Beziehung nicht vorbeikommen. Alles andere würde wohl in totaler Überforderung ändern und das Resultat wäre wohl nicht das Gewünschte.

Ich bin mir im Klaren, dass es in einer gesunden Beziehung ist, auch Zeit getrennt verbringen zu können und die meisten haben wohl eher damit ein Problem. Bei mir ist das umgekehrte Szenario wahrscheinlicher. Genügend Zeit zu zweit zu verbringen erscheint mir da deutlich schwieriger, aber ich bin der felsenfesten Überzeugung, das ist tatsächlich reine Gewöhnungssache.

Hätte, könnte, würde – zuerst muss es geschehen und bis dahin darf ich mich weiterhin am Sonntagmorgen selbst um meinen Kaffee kümmern und die Tage in meiner Komfortzone verbringen.

Liebe Grüsse und luagend uf üh!

Eure Singleböckin

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Sehr geehrte Frau Singleböckin, wie Sie sich nennen... ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten (auch wenn besondere Nähe in einem gewissen Sinn der Zweck in vorliegender Kolumnen zu sein scheint), aber müsste es im Kanton der Steinböcke nicht Singlegeiss heissen?
Sorry für meine wenig geistreiche Irrelevanz marginaler Prägung angesichts Ihrer Reflexionen für gehobene Ansprüche. Wobei ich, wie Sie dito, frage, ob vor lauter Textflut nicht des Menschen Haltbarkeitsdatum abläuft. Und die Arten aussterben, fatalerweise justament die, die Geisteswissenschaftler wünschen?
Klar, des Pudels Kern liegt im Pfeffer der Hasen. Welches blinde Huhn will schon sein Korn aufs falsche Pferd setzen, schliesslich sucht es jemanden zum Pferde stehlen, der aber nicht auf dem hohen Ross sitzt. Vielmehr möchte man Schwein haben, ohne ein Frosch sein, oder um es im Motto der Praktiker zusammenzufassen: Lieber eine Stumme im Bett, als eine Taube auf dem Dach? Lieber Ananas als Anna trocken? Lieber Anatomie als Maria to you?
Eher nein, Herz ist Trumpf, ein System gut durchdacht und einfach, um der Welten Vielfalt sichtbar machend individuelle Bedürftigkeit zu spiegeln. Ja, es bräuchte ein System.
Denn Nichtsystematik (wieviele der etwa 8 Milliarden Menschen werden Sie Ihr Leben lang nie sehen, etwa 8 Milliarden?) wäre der Bedeutung des Wertes kaum angemessen (auch wenn sich folgendes Zitat primär auf Introspektion, bewussten Verzicht auf Ablenkung vom Wesentlichen beziehen dürfte; Marc Aurel: Nicht den Tod sollte man fürchten, sondern dass man nie beginnen wird, zu leben.).
Die erwähnten Tutorials in Youtube dürften mangels Niveau obiges Anliegen nicht ersetzen, zwei Beispiele:
https://www.youtube.com/watch?v=FIvzTlF0-R8
https://www.youtube.com/watch?v=0rxzcVqQXzg