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Kratzt die SVP die klimapolitische Kurve?

Andrea
Masüger
27.07.19 - 04:30 Uhr
 Alt-SVP-Bundesrat Christoph Blocher.
Alt-SVP-Bundesrat Christoph Blocher.
OLIVIA AEBLI-ITEM

In seiner Kolumne «Masüger sagts» widmet sich Andrea Masüger aktuellen Themen, welche die Schweiz und die Welt bewegen (oder bewegen sollten). Der heutige Publizist arbeitete über 40 Jahre bei Somedia, zuerst als Journalist, dann als Chefredaktor, Publizistischer Direktor und zuletzt als CEO.

Der Bauernverband hat kürzlich an einer Pressekonferenz bekanntgegeben, wie er im Kampf gegen den Klimawandel seinen Beitrag leisten will. Dies kontrastiert auffällig mit der Haltung der traditionellen Bauernpartei SVP, die bisher die Angst ums Klima als rot-grüne Hysterie abgetan hat. Die Bauern, welche täglich mit den Folgen zunehmender Trockenheits- und Hitzeperioden konfrontiert sind, nerven sich über den Starrsinn ihrer Partei.

Galionsfigur dieser Haltung ist der ehemalige Zürcher Parteipräsident und Biobauer Konrad Langhart, der bereits im Vorfeld des Zürcher Urnengangs gerne über die Erderwärmung geredet hätte. Am Schluss war er der Schuldige für das triste Ergebnis der Wahlen, in denen das Klimathema seitens seiner Partei ignoriert worden war – und wurde von Christoph Blocher gefeuert. So lassen sich Tatsachen in der Politik umdrehen ...

Das wollen sich die Bauern nicht mehr bieten lassen. Es ist derzeit offen, ob der Zürcher Bauernverband im Herbst den rührigen Ständeratskandidaten Roger Köppel unterstützen wird, der derzeit jede Zürcher Gemeinde mit seinen Vorträgen heimsucht. Köppel ist der Inbegriff der SVP-Klimaveränderungsignoranz und er sieht die Schweiz in naher Zukunft im Würgegriff der grünen Verbotspolitiker. Er wettert gegen die naive Greta, die von dunklen Mächten ferngesteuert ist, und uns das Fliegen und Fleisch essen vergällen will.

Köppel wurde bisher von Blocher unterstützt. Nach den Zürcher Wahlen riet dieser, das Thema Klima einfach zu ignorieren und auszusitzen. Danach empfahl er die Flucht nach vorn: Ein konzentrierter Angriff auf grüne Forderungen sollte der SVP die Deutungs-hoheit über das Thema zurückbringen. Doch das ist nicht gelungen. Der Grund dafür ist einfach: Selbst die für Verschwörungstheorien empfänglichsten Schweizer zweifeln langsam daran, dass unser Wetter nur noch von natürlichen Schwankungen regiert wird. Auch diejenigen, die behaupten, die Mondlandung vor 50 Jahren habe nur in einem Hollywood-Studio stattgefunden, werden immer weniger.

Dies alles hat den obersten Chef der SVP zu bemerkenswerten Eingeständnissen bewogen. Parteipräsident Albert Rösti sagte kürzlich in einem NZZ-Interview: «Den Klimawandel gibt es, das ist unbestritten, und der Mensch hat einen Einfluss. Fertig.» Das tönt richtig trotzig: Wenn ihr uns schon so piesackt, dann geben wir es halt zu!

Doch Rösti sagt auch Dinge, die erstaunen: Er propagiert statt neuen Abgaben und weiteren Verboten eine konsequente regionale Kreislaufwirtschaft. Anstelle unseres globalisierten Konsumverhaltens, das uns Bio-Peperoni aus Israel kaufen lässt und den billigeren Schreiner aus dem Vorarlberg dem teureren aus dem Nachbardorf vorzieht, sollten wir uns konsequent auf die Region konzentrieren. Dies ist tatsächlich ein wunder Punkt in der Diskussion: Wir alle machen besorgte Klima-Mienen, verhalten uns aber im engsten Umfeld, als wäre nichts passiert. Gemäss Rösti müssten wir Ferien in einem Schweizer Hotel buchen – stattdessen meldet der Flughafen Zürich laufend steigende Passagierzahlen.

Rösti hat hier eine perfekte Trumpfkarte gezogen: das Regionale, das Schweizerische als umweltfreundliche und CO2-arme Alternative zum Globalen und Internationalen. Dies passt perfekt in die Parteiphilosophie und in das von der Partei hochgehaltene Bild einer bodenständigen von Land und Leuten geprägten Kultur. Der SVP bietet sich die grosse Chance, das Klimathema ohne jede programmatische Verrenkung und ohne jede Konzession an eine als überdreht empfundene grüne Politik zu integrieren.

Sie hätte dabei ab sofort nicht nur ihre bäuerliche Klientel wieder auf sicher, sondern auch viele Wähler, die ihr die Klima-Ignoranz nicht verzeihen wollen. Mal schauen, ob sich Röstis hellsichtiger Moment zu einer neuen SVP-Umweltpolitik entwickelt oder ob er in Köppels Grünen-Phobie untergeht.

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