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Wanderfreuden

Christian
Ruch
13.07.19 - 04:30 Uhr
CHRISTIAN RUCH

In «Ruchs Rubrik» beleuchtet Christian Ruch Bedenkliches, Merkwürdiges und Lustiges aus der Region Südostschweiz. Das alles einmal wöchentlich und mit viel Esprit und Humor. Ob Politik, Kultur, Wirtschaft oder Sport – in Ruchs Rubrik hat all das Platz, was sich mit einem Augenzwinkern betrachten lässt.

Als ich neulich über das norwegische Wort «hetebølge» (Hitzewelle) schrieb, haben sich Millionen von Leserinnen und Lesern total spontan auf den Weg gemacht, um das zauberhafte Ursprungsland dieses Wortes kennenzulernen. Norwegen und die Schweiz haben ja viel gemeinsam: Beide sind nicht in der EU, beide kamen unverhofft zu Reichtum: Die Norweger durch das in der Nordsee schlummernde Öl, die Schweizer durch die im Appenzeller schlummernde Kräutersulz.

Doch einen entscheidenden Unterschied gibt es: die Wanderwege. In der Schweiz verraten überall  herzige gelbe Täfeli, wie lang einem noch die Zunge zum Hals raushängt. Und auch ob es am Sunnematttännelibödeli eine Beiz und eine Postautohaltestelle gibt. Erstklassig ist ausserdem die Wegmarkierung: Bei uns stellt man Eimer mit roter und weisser Farbe hin, in die dann Murmeli und Eichhörnli ihren Schwanz tauchen und so die Wege weiss-rot-weiss markieren.

Anders in Norwegen. Da hat man wunderschöne Wanderparkplätze, meisten sogar mit Klo, was auf  gepflegte, erholsame Wandererlebnisse hoffen lässt. Und in der Tat führt der Weg über wunderbar weichen Torfboden und auf edel gezimmerten Brettern über Moore und reissende Wildbäche. Alles ist einfach nur supi. Ungefähr zwei Kilometer lang. Dann folgt ein brachiales Kontrastprogramm: Ein Weg ist als solcher nicht mehr erkennbar, als Wegmarkierung hat es, wenn überhaupt, alle paar Kilometer einen roten Klecks und man watet entweder durch knöcheltiefen Morast oder über endlose Geröllhalden, mit denen man eine ganze Neat schottern könnte. Wie die Lieblingsbündnerin an meiner Seite herausgefunden hat, sind die «besonders familienfreundlichen» Pfade garantiert die rustikalsten. «Familienfreundlich» heisst, dass der emanzipierte norwegische Papa seine Kleine mühsam in so einem Tragedings auf dem Rücken hat, weil Kinder unter drei sonst im Moor versinken.   

So schleppt sich der mitteleuropäische Norwegenreisende mit wund gescheuerten Füssen und nassen Socken zu Fjell und Fjord und geniesst die herrliche Landschaft. Ertappt sich aber bei dem Gedanken, dass Ferien mit Sesselilift, Wegweisertäfeli und einem Rivella rot auf dem Sunnematttännelibödeli auch ganz schön wären. 

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