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Schatten- und Sonnenseiten im Leben eines Spitzensportlers

Südostschweiz
26.03.20 - 04:30 Uhr
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Spitzensport – für die meisten Athletinnen und Athleten bedeutet dies harte Arbeit, Entbehrungen und eine grosse Portion Leidenschaft. Im Format «Sportlerblog» schreiben junge Bündner Sporttalente über ihren Weg an die Spitze.

von Vital Albin*

Leistungssportler führen ein aussergewöhnliches Leben. Wir sind gefordert, unsere Lebensweise so zu gestalten, dass wir unser sportliches Potential voll ausschöpfen können. Dies bedeutet vor allem eines: Verzicht auf viele Sachen, die wir eigentlich gerne machen würden. Warum tun wir uns das an? Was ist der Reiz am Leistungssport?

Oft sehen oder hören wir von den Erfolgen eines Sportlers. Doch worauf muss er oder sie dafür verzichten? Bereits im Alter von 16 Jahren bin ich nach Solothurn gezogen, um dort das Sportgymnasium zu besuchen. Dies war nicht immer einfach, denn ich musste dafür auf drei weitere Jahre in Disentis, wo es mir sehr gefiel, verzichten.

The Winner takes it all

Momentan betrifft es vor allem den Verzicht auf ein Studium. Da ich nicht so ein starker Schüler bin, wäre ein begleitendes Studium kaum machbar. Die Kombination von bis zu 25 Stunden Training pro Woche (dabei darf man die Zeit für das Umziehen, Duschen und Velo putzen nicht vergessen), Haushalt und natürlich den Studienaufwand wäre ziemlich anstrengend und würde viel Disziplin erfordern. Freizeit bliebe dabei kaum mehr. Im Sport macht es finanziell einen riesigen Unterschied, ob man in einem Rennen auf dem Podest landet oder den vierten Platz belegt – auch wenn die Leistungsdifferenz minim ist. Durch den zusätzlichen Stress durch ein Studium oder auch eine Arbeit geht man das Risiko ein, eben genau solche Top-Platzierung zu verpassen. Die Rangliste fragt nun mal nicht nach den Umständen. 

Auch bei vielen Freizeitbeschäftigungen muss ich zurückstecken. Gerne würde ich im Sommer Festivals besuchen, bisher war ich aber erst einen einzigen Tag an einem Open Air (Lumnezia). Sie kollidieren oft mit einem Wettkampf oder liegen in einer wichtigen Vorbereitungsperiode. Dasselbe gilt auch für Geburtstagspartys und Ähnliches.

Orte kennenlernen, Bekanntschaften schliessen: Ein echtes Privileg

Es fällt mir nicht immer einfach, so oft fern von meinem Zuhause zu sein. Etwa die Hälfte des Jahres – dieses Jahr wegen der Corona-Situation wohl etwas weniger – bin ich für Trainingslager oder Wettkämpfe unterwegs. Zugleich bin ich privilegiert, da ich mit dem Training neue Ecken dieser Welt kennenlerne und Bekanntschaften mit Leuten aus den verschiedensten Kulturkreisen schliesse. Das gilt vor allem für Trainingslager. An Wettkämpfen verbringen wir die Zeit fast ausschliesslich auf der Rennstrecke und im Hotel.

Am schwersten fällt es mir, wenn ich eine lange Reise zu einem Weltcup hinter mir habe, mich optimal auf das Rennen vorbereite, alles andere liegenlasse und dann ein schlechtes Rennen fahre. Es ist eine Herausforderung, den aufgebrachten Aufwand nicht als verlorene Zeit zu betrachten, sondern als Teil des Weges, den man gehen muss, um sich Stück für Stück an die Weltelite heranzutasten.

Momente, welche mir immer in Erinnerung bleiben, sind diejenigen, in denen ich ein hochgesetztes Ziel erreicht habe. Monate- oder gar jahrelang arbeitet man hart und setzt sich auch mental mit jeglichen Szenarien auseinander. Wenn dann dieser Tag «X» endlich kommt und man die gewünschte Leistung abrufen kann, sind dies emotional unvergessliche Momente. So auch die Zieleinfahrt an der WM letzten Jahres, wo ich mein Ziel eines Podestes erreicht habe.

Am meisten schätze ich das tägliche Training draussen in der Natur. Oft an der frischen Luft zu sein und die körperliche Herausforderung zu suchen. In meinem Wohnort in Chur gibt es mittlerweile einige Biker, mit denen ich trainieren kann, unter anderem Nino Schurter. Gemeinsam zu trainieren macht einfach noch mehr Spass.

Wenn ich mit dem Team oder dem Kader unterwegs bin, schaue ich meist auf eine tolle Zeit zurück. Da wir so viel Zeit miteinander verbringen und uns darum ziemlich gut kennen, kommen auch immer wieder Spässe oder lustige Missgeschicke vor.

Zudem kann ich sehr autonom leben. Über mein Team, Wohnort, Trainer und Freizeitaktivitäten kann ich selbst entscheiden. Es funktioniert wie eine eigene Firma, ich muss mich so organisieren, dass ich die geforderten Leistungen erbringe, damit ich meinen Lebensunterhalt finanzieren und wenn möglich finanzielle Reserven anlegen kann. Ich mache mir fortlaufend Gedanken, wie ich mein Training optimieren kann und versuche immerfort aus meinen Fehlern zu lernen.

Dank dem Nationalkader und dem Profi-Team Thömus RN Swiss Bike Team kann ich von einem professionellen Umfeld profitieren und es erlaubt mir auch den Zugang zu Top-Material. Trotz der Aufwände und den Verzichten, die ich bewusst für den Sport in Kauf nehme, schätze ich es sehr, meinen Kindheitstraum als Profi leben zu können.

*Der Tersnauser Vital Albin ist eines der grössten Schweizer Mountainbike-Talente. 2019 wurde der 21-Jährige an den Weltmeisterschaften in der U23-Kategorie Dritter im Cross Country. Für «suedostschweiz.ch» gibt Euch Albin während der Saison 2020 Einblicke in das Leben eines Mountainbike-Profis.

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