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Auch in kalten Betten schlummert Potenzial

Fachhochschule
Graubünden
03.06.20 - 09:00 Uhr

An der Fachhochschule Graubünden wird ausgebildet und geforscht. Über 2000 Studierende besuchen Bachelor-, Master- und Weiterbildungsstudiengänge. In diesem Blog geben Studierende, Dozierende und Mitarbeitende Einblicke in den Hochschulalltag und in Themen, welche sie gerade beschäftigen.

Inlandferien in der eigenen Zweitwohnung stehen Corona bedingt gerade wieder hoch im Kurs.

Dies war nicht immer so, denn bei der Eigentümerschaft, insbesondere bei der jungen Generation, zeigt sich ein nachlassendes Nutzungsinteresse an den meist in die Jahre gekommenen Ferienliegenschaften. Von den etwa 350’000 Zweitwohnungen im Schweizer Alpenraum wurde mehr als die Hälfte vor 1980 errichtet. Bei vielen dieser Objekte stehen deshalb die Erneuerungen von Bad, Küche, Böden und der Einrichtung an. Gleichzeitig wollen die Eigentümerinnen und Eigentümer oder deren Erben nicht in die Wohnungen investieren, da sie diese selten nutzen.

Diesem Problem haben wir uns am Institut für Tourismus und Freizeit (ITF) angenommen und im Projekt RenoRent ein Geschäftsmodell zur Renovierung und touristischen Aktivierung von Zweitwohnungen entwickelt. Kern unseres Ansatzes bildet eine zeitlich begrenzte Nutzniessung der Wohnungen durch eine Gesellschaft. Diese investiert an ausgewählten Standorten in die kollektive und damit kostengünstigere Renovierung der Wohnungen nach einem einheitlichen Qualitätsstandard. Die Besonderheit des Modells besteht darin, dass Zweitwohnungsbesitzerinnen und Zweitwohnungsbesitzer sich im Regelfall nicht an den Renovationskosten beteiligen müssen und eine feste Vergütung für die Bereitstellung ihrer Wohnungen sowie festgelegte Eigennutzungsmöglichkeiten erhalten. Nach einer bestimmten Nutzniessungszeit kann die Eigentümerschaft dann wieder frei über ihre renovierten Wohnungen verfügen. Voraussetzung für die Tragfähigkeit des Modells ist, dass die Gesellschaft nur in touristisch attraktive Destinationen investiert, die Objekte sorgfältig auswählt und über ein starkes Partner-Netzwerk für die Wohnungsvermietung an Feriengäste verfügt.

Somit entsteht eine Triple-Win-Situation. Die Eigentümschaft profitiert von einer unkomplizierten Renovation aus einer Hand, regelmässigen Einnahmen aus ihrer Ferienliegenschaft und Ferien in ihrem erneuerten Domizil. Die Destination erhält ein attraktives Angebot von Ferienwohnungen und Aufträge fürs Handwerk. Und nicht zuletzt profitiert die Gesellschaft, welche sich der Renovierung und touristischen Vermietung der Wohnungen annimmt. Dies hat auch unsere Projektpartnerinnen und Projektpartner in Davos überzeugt, welche ein Startup zur Umsetzung des Konzepts gegründet haben und bereits das erste Ferienobjekt renovieren.

Den drei Jungunternehmern der RenoRent AG dürfte die Arbeit so schnell nicht ausgehen, denn unter den über 78’000 Zweitwohnungen im Kanton finden sich noch genug renovierungsbedürftige Liegenschaften, die aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt werden wollen. Und schliesslich lassen sich gerade mit attraktiven Ferienwohnungen und einem entsprechenden Gästeservice neue Gäste für Graubünden gewinnen, zumal man bei der Betrachtung der Mietpreise feststellt, dass dieser Beherbergungstyp durchaus mit dem Ausland preislich wettbewerbsfähig ist. Zur Gewinnung neuer Gäste und zum Aufbau neuer Angebotssegmente muss es deshalb nicht immer die Resort-Entwicklung auf grüner Wiese sein. Manchmal reicht vielleicht zur Belebung des Tourismus einfach eine zündende Idee, tatkräftige Unternehmer und das Arbeiten mit dem Vorhandenen.

Norbert Hörburger ist Dozent am Institut für Tourismus und Freizeit (ITF) und dort stellvertretender Leiter Forschung und Dienstleistung. Mehr zum Projekt RenoRent.

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