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Warte Schatz, ich orte noch schnell unser Kind

Immer mehr Eltern orten auf dem Schulweg ihre Kinder. Verantwortungsvoll oder kontrollsüchtig? Das möchte unsere Mama-Bloggerin wissen – und eure Meinung dazu hören.

Kristina
Schmid
15.09.23 - 04:30 Uhr
Bild Freepik

Beginnt das Chaos jeden Tag von vorn, sagen wir: Herzlich Willkommen im Familienleben. Unser Alltag reiht verrückte, bunte, profane und ab und zu unfassbar perfekte Momente aneinander. Das Leben als Mama oder Papa ist eine aufregende Reise, auf die wir Euch nun mitnehmen. Ganz nach dem Motto: Unser Alltag ist ihre Kindheit.

Es liegt nicht in der Verantwortung der Kinder, das Leben für Erwachsene einfacher zu machen. Es liegt in der Verantwortung der Erwachsenen, das Leben einfacher zu machen für die Kinder. An dieses Zitat der australischen Psychologin Rachel Samson musste ich in den letzten Tagen immer wieder denken, als ich mich mit der Frage beschäftigte, ob es in Ordnung ist, die eigenen Kinder zu orten. Oder wie viele heute sagen: Zu tracken. Sind Eltern, die das tun, verantwortungsbewusst oder kontrollsüchtig?

Die Sorge, dass dem eigenen Kind irgendwo etwas zustossen könnte, kennen wohl alle Mütter und Väter. Und gegen diese Sorgen sollen nun GPS-Tracker helfen, beispielsweise in Form von Airtags von Apple, Apps auf dem Smartphone oder extra für Kinder entworfenen Smartwatches. Denn mit diesen technischen Hilfsmitteln orten immer mehr Eltern ihre Kinder, wenn sie allein unterwegs sind. Eltern behalten sie im Auge. Das Kind macht dafür etwas alleine. Etwa den Schulweg meistern. Und dauert es mal zu lange, bis das Kind nach der Schule Zuhause ist, verrät ein Blick in die GPS-Daten, wo das Kind gerade steckt.

Doch ist das ok? Etwas, das eigentlich dazu erfunden wurde, um verlegte Schlüssel, Portemonnaies oder Koffer schneller zu finden, am Rucksack oder Handgelenk der Kinder zu montieren?

Ist es in Ordnung, wenn Eltern ihre Kinder auf dem Schulweg orten?

Auswahlmöglichkeiten

Ich persönlich habe mir für meinen Kindsgi-Bueb kein solches Gerät angeschafft. Ich stehe an der Haustüre, winke ihm nach und wenn er um die Ecke biegt, kehre ich zurück ins Haus. Ich laufe ihm nicht nach.

Mittags warte ich auf der Treppe vor der Haustüre. Wenn er um die Ecke biegt, springe ich ihm mit meinem jüngeren Sohn entgegen. Für den Kleinen gehört diese Art von Begrüssung seines grossen Bruders zum Mittag einfach dazu. 

Aber auch uns ist passiert, was wohl alle Eltern schon einmal erlebt haben. Dass ich bereits langsam nervös auf ihn gewartet habe, weil mein Blick die ganze Zeit zu jener Uhr wanderte, die mich daran erinnerte, dass er normalerweise schon längst Zuhause sein müsste. Fünf Minuten vergehen. Zehn. 15 Minuten.

Ich hab den Kleinen in den Kinderwagen gesteckt und lief zwei Mal ums Quartier. Rief sein Nani an, um zu fragen, ob er «versehentlich» zu ihnen gelaufen ist.

Da entdecke ich ihn, wie er auf seine Hände starrte oder besser gesagt auf das, was er da hielt. Blätter. «Die sind imfall gsund. Muasch sie inas Schälali mit Wasser tua. Denn schmeckts fein. Das het mer der Maurus gseit.» Ich lächle. Bin froh. Ich war kurz besorgt. Doch er war frei.

Hätte ich ihn orten können, hätte ich ihn fünf Minuten später am besagten Ort aufgegabelt und hätte jetzt womöglich ein paar graue Haare weniger. Ich hätte mir was erspart. Sorgen. Aber ihm was genommen. Erfahrungen.

Aber vielleicht irre ich mich komplett. Immerhin lässt sich technische Entwicklung nicht verhindern. Vielleicht wird man sich in 50 Jahren an den Kopf fassen beim Gedanken, dass Eltern ihre Kinder 2023 ohne GPS-Tracker aus dem Haus liessen – obwohl sie die Mittel gehabt hätten. Wir lachen auch, wenn wir uns daran erinnern, dass es eine Zeit gab, in der Eltern Kinderautositze für überflüssig hielten.

Um ehrlich zu sein: Ich bin nicht sicher, was ich davon halten soll, dass unsere Kinder geortet werden. Deshalb interessiert mich Ihre Meinung umso mehr.

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Guten Tag Frau Schmid
Ich habe ihr Zeitungsartikel gelesen. Ich teile ihre Meinung. Meine Kinder 10 und 12 Jahre alt habe ich noch nie getrackert. Ich bin der Meinung, dass die Kinder den Schulweg mit ihren Freunden erleben und erfahren dürfen. Meine Kinder kommen meistens pünktlich nach Hause. Es hat bei beiden Kinder schon die Situation gegeben, dass sie 15-20 min.später angekommen sind. Da war ich auch besorgt. Immer dann, wann ich die Schuhe anziehen wollte um auf die Suche zu gehen, kamen meine Kinder frischfröhlich nach Hause. Das kam vorallem im Kindergarten und erste Klasse vor. Heute ist das kein Thema mehr. Ich bin der Meinung, dass Eltern zu Hause mit ihren Kindern über Sorgen und Bedenken sprechen und Abmachungen vereinbaren. Ich habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht.

Absoluter Blödsinn die Kinder zu tracken. Wenn die selber entscheiden könnten, würden sie das auf keinen Fall wollen. Wir Erwachsenen würden uns ja auch nicht Wohl fühlen, wenn wir ständig überwacht würden.

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