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Eine weitere Million Kubikmeter Fels in Bewegung

Mit einer Gesamtmasse von vier Millionen Kubikmeter Gestein ist der Bergsturz im Bergell der grösste in Graubünden seit Jahrzehnten. Kanton und Gemeinde informierten gestern über die Sucheinsätze und die mögliche Ursache des Unglücks.

Südostschweiz
25.08.17 - 10:47 Uhr
Ereignisse
KEYSTONE

Die 100 evakuierten Einwohner von Bondo und weitere 32 Personen aus der näheren Umgebung dürfen bis mindestens heute Freitag um 10 Uhr nicht in ihre Häuser zurückkehren. Dann wird die Lage neu beurteilt, wie Andrea Mittner, Gesamteinsatzleiter der Kantonspolizei Graubünden, gestern an einer Medienorientierung in Stampa erklärte. Experten schliessen Nachstürze nicht aus.

Laut Martin Keiser vom kantonalen Amt für Wald und Naturgefahren sind nach ersten Schätzungen am Mittwochmorgen am Piz Cengalo zuhinterst in der Val Bondasca vier Millionen Kubikmeter Gestein zu Tal gedonnert. Eine weitere Million Kubikmeter ist am Berg in Bewegung und kann ebenfalls abstürzen. Das Volumen der weggebrochenen Felsmassen entspricht dem von etwa 4000 Einfamilienhäusern. Damit handelt es sich um den grössten Bergsturz im Alpenkanton seit Jahrzehnten. Der letzte grosse Bergsturz am Piz Cengalo 2011 wurde um das Dreifache übertroffen. Gemäss Keiser wird davon ausgegangen, dass eine Kombination von aufgetautem Permafrost und Kluftwasser, das hinter den Felsen enormen Druck ausübte, zum Bergsturz geführt hatte.

Kantonsstrasse bleibt gesperrt

Im Tal wurden die Felsmassen vom Bach Bondasca talauswärts bis nach Bondo geschoben (BT von gestern). Das Dorf wurde vom gewaltigen Murgang gestreift, ein halbes Dutzend Gebäude beschädigt. Und in der Val Bondasca walzten die Gesteinsmassen zwölf Maiensässe nieder. Später spülte Wasser Geröll um das Dorf und bis zur Strasse im Tal. Die Fahrbahn wurde sowohl unter- als auch überspült. Die Bergeller Hauptverbindung ist beschädigt und stellenweise verschüttet. Eine einspurige Umfahrung wurde eingerichtet. Diese ist aus Sicherheitsgründen aber nur am Tag offen. Dass sich weitere Murgänge ereignen, kann gemäss Keiser nicht ausgeschlossen werden.

Die Bergsturzgefahr am Piz Cengalo ist seit Langem bekannt. In der Val Bondasca ist ein automatisches Murgang-Alarmsystem eingerichtet. Dieses trat am Mittwoch in Aktion, alarmierte Einsatzkräfte und sperrte mittels Verkehrsampeln Strassen. Die Gemeinde habe am 14. August eine Warnung vor einem möglichen Felssturz herausgegeben, sagte Gemeindepräsidentin Anna Giacometti. Gewarnt worden sei auf der Website der Gemeinde, aber auch in den SAC-Hütten.

Die Bündner Regierungspräsidentin Barbara Janom Steiner, die gestern von einer Fraktionssitzung in Samnaun nach Bregaglia reiste, sicherte der Gemeinde die volle Solidarität und die grösstmögliche Unterstützung des Kantons zu. «Ich konnte mich überzeugen, dass die Abläufe sehr gut eingespielt sind. Ich möchte allen Einsatzkräften bereits den Dank aussprechen», sagte sie in Stampa. Ihre Regierungskollegen Mario Cavigelli und Christian Rathgeb würden in den nächsten Tagen ebenfalls vor Ort sein.

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