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Bergell: Auch Grenzgänger sind betroffen

Italienische Grenzgänger, die über das Bergell in die Schweiz zur Arbeit fahren, mussten bis heute einen Umweg machen. Dadurch waren sie länger unterwegs - teilweise so lange, dass sie erst gar nicht zur Arbeit kamen. Nun verlangen italienische Gewerkschaften dafür eine Entschädigung von der Schweiz.

Victoria
Sutter
07.09.17 - 06:21 Uhr
Ereignisse
SCHWEIZ BERGSTURZ BERGELL
Strasse und Wanderweg sind durch die Murgänge verschüttet worden, so dass niemand mehr durchfahren konnte.
KEYSTONE

Der Felssturz des Piz Cengalo und die nachfolgenden Murgänge sorgten dafür, dass unter anderem die Strassen geschlossen werden mussten. Für die rund 7000 Grenzgänger aus Italien bedeutete dies, dass sie über den Bernina- oder Splügenpass fahren mussten, wenn sie zur Arbeit in der Schweiz wollten. Dies führte zu einer längeren Reisezeit.

Laut einer Meldung der SDA fahren normalerweise täglich etwa 3000 Grenzgänger über das Bergell ins Engadin.

Ab heute Donnerstag ändert sich das wieder: Die Malojastrasse ist ab 6.30 bis 20 Uhr wieder für den Durchgangsverkehr freigegeben und sämtliche Grenzgänger können wieder ihren eigentlichen Arbeitsweg nutzen.

Jemand zeigt sich allerdings nicht zufrieden damit, dass italienische Grenzgänger einen längeren Arbeitsweg in Kauf nehmen mussten: Die italienischen Gewerkschaften haben von der Schweiz eine Entschädigung für die Grenzgänger verlangt. Dies, sofern die Situation im Bergell noch eine Weile anhält. Arno Russi von der Unia Graubünden sagt dazu gegenüber der SDA: «Die Schweiz hat aber ein anderes System als Italien und allfällige Verdienstausfälle werden über die Versicherung des Arbeitgebers geregelt». Heisst: wenn ein italienischer Arbeitnehmer eine Entschädigung will, muss er mit seinem Chef direkt schauen.

Einer, der eine solche Forderung nicht verstehen kann, ist Thomas Walther. Er ist Besitzer des Hotel Walther in Pontresina und Vorstandsmitglied der Tourismusorganisation Engadin St. Moritz.

Er findet, dass es derzeit Wichtigeres gäbe, als dass die Grenzgänger Geld für ihren Umweg erhalten. Die Menschen im Bergell erleben derzeit eine dramatische Situation, das sei viel schlimmer als dass ein Grenzgänger eine Stunde länger fahren müsse.

Walther hat absolut kein Verständnis dafür, dass jemand eine solche Forderung überhaupt stellen kann, angesichts dessen, was passiert ist. Zudem hätten die Grenzgänger immer davon profitieren können, dass sie in der Schweiz zu einem Schweizer Lohn arbeiten, aber in Italien leben können.

Auf jeden Fall werde sich die Situation ab heute für die Grenzgänger wieder verbessern, da die Malojastrasse tagsüber wieder geöffnet ist.

Allerdings denkt Walther auch, dass die Grenzgänger selber gar nicht auf so einen Gedanken kommen – zumindest bei ihm im Hotel habe niemand eine solche Forderung gestellt: «Entweder bleiben sie im Hotel, auch wenn sie frei haben, es hat genug Personalzimmer – die braucht es auch, wenn beispielsweise jemand einen Nachtdienst hat und dadurch gar nicht nach Hause kann. Oder sie fahren den Umweg über den Bernina oder Splügen».

Alles in allem ist für Walther klar: Die Prioritäten liegen derzeit nicht bei den Grenzgängern, sondern bei den Bewohnern des Bergells die vor den Trümmern ihrer Häuser stehen.

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