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Heute hier, morgen dort

Gefahren wie Lawinen, Steinschläge, Rutschungen und Hochwasser gehören zum Leben in Graubünden dazu. Die letzte Möglichkeit den Gefahren zu entkommen, ist das Verlassen der betroffenen Ortschaften. Im Kanton fanden solche Umsiedlungen schon mehrmals statt. Zuletzt sorgte das Thema in Brienz für Diskussionen.

Anna
Panier
08.12.19 - 04:30 Uhr
Ereignisse
Felssturz Fels Brienz
In Brienz sind einige grosse Felsen abgestürzt.
Marco Hartmann

Die Ampel blinkt und ein ungutes Gefühl macht sich breit. So geht es den meisten, die zurzeit durch Brienz fahren möchten, denn es drohen Felsstürze. Die Ampel soll genug früh vor herunterfallenden Felsblöcken warnen.

Es ist das jüngste Beispiel dafür, dass die Natur macht, was sie will. Das kleine Bergdorf, welches viele Personen wohl eher als Verbindung zwischen Lenzerheide/Lai, Lenz/Lantsch und Davos kennen, ist aufgrund seines Kampfes mit der Natur in aller Munde. Rund um Brienz rutscht der Boden. Eine Sackung ist in Bewegung, welche auch das Dorf selbst ins Rutschen bringt.

In der Vergangenheit lösten sich immer wieder Felsen vom Berg und stürzten auf die Häuser zu. Die Problematik ist ernst. Der Kanton hat die Situation erst kürzlich zur «Besonderen Lage» erklärt. Es wird geplant, wie das Vorgehen bei einer Evakuierung sein müsste.

Kein neues Thema

Dass Menschen weichen müssen, wenn ihr Wohnort zerstört wird oder anderweitig genutzt werden soll, ist nicht erst seit gestern Tatsache. Vor rund 150 Jahren kam es beispielsweise zum ersten dokumentierten Hangabbruch in Schuders, im Prättigau. Die Folgen des Geschehenen: Ein zerstörter Wald und Häuser, die abgerissen werden mussten. 

Zwischen 1930 und 1960 halbierte sich die Anzahl Bewohner in Schuders. Es kam immer wieder zu Rutschungen. Das Leben in dem Gebiet wurde unsicher. Der Boden, welcher zur Landwirtschaft genutzt wurde, war grösstenteils beschädigt. Die Häuser waren teilweise nicht mehr bewohnbar. Viele Leute mussten gezwungenermassen ihr Zuhause in Schuders verlassen. Ein paar Jahre später beruhigte sich die Lage und das Dorf erholte sich von den Ereignissen.

Doch auch heute kommt es immer wieder zu kleineren Erdrutschen. Zuletzt rutschte es in Schuders vor einem Jahr. Die kantonale Verbindungsstrasse wurde dabei beschädigt. Das Dorf befindet sich laut Gefahrenkarte des Kantons Graubünden weiterhin in einer Gefahrenzone für Rutschungen.

Nicht nur die Natur ist schuld

Eine der bekanntesten Umsiedlungen wurde in Marmorera durchgeführt. An einer Gemeindeversammlung haben die Bewohner des Ortes entschieden, der Stadt Zürich die Berechtigung über das Dorf zu erteilen. Das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich beabsichtigte den Bau eines Stausees. Vermehrt wird in Medien erwähnt, dass diese Abstimmung nicht korrekt abgelaufen sein soll und die Bewohner nicht wussten, was ihre Entscheidung auslöste.

Das ganze Dorf wurde schliesslich 1954 umgesiedelt, bevor es geflutet wurde. Wer sich nicht damit anfreunden konnte, verliess die Heimat. Heute wird dort, wo einst ein kleines Dorf stand, noch immer Wasser gestaut. Mittlerweile ist der See auch zu einem Spot für Taucher geworden. Von dem damaligen Marmorera ist nichts mehr zu sehen.

Graubünden ist vorbereitet

Der Kanton betreibt ein Risikomanagement, welches für die Vorbeugung von Naturereignissen da ist, aber auch für die Beurteilung eines eingetroffenen Ereignisses. Laut dem kantonalen Amt für Wald und Naturgefahren ist der Kanton gut für solche Situationen gerüstet. Graubünden ist in fünf Regionen gegliedert, welche je einen Spezialisten für Naturgefahren und Schutzbauten haben.

In Zusammenarbeit mit den Förstern der einzelnen Gemeinden ergibt sich ein kantonal vernetzter Forstdienst. Dadurch ist stets eine Fachperson in den Gefahrenzonen vor Ort, auch für den Fall, dass eine Notsituation eintritt. Das Amt erstellt Gefahrenkarten, auf denen zu sehen ist, welche Orte ein erhöhtes Risiko für Naturereignisse aufzeigen. Der Forstdienst hat in Zusammenarbeit mit anderen Experten Frühwarnsysteme und Messstellen erstellt.

 

Die Gefahrenkarten lassen sich in verschiedene Bereiche einteilen.
Die Gefahrenkarten lassen sich in verschiedene Bereiche einteilen.
AMT FÜR WALD UND NATURGEFAHREN

Weitere Gefahrenkarten und detailierte Informationen des Amtes für Wald und Naturgefahren findet Ihr hier. 

Jegliche Naturereignisse und Veränderungen halten die Verantwortlichen in einer Datenbank fest. Findet ein Naturereignis statt, muss die Situation individuell eingeschätzt werden. Am Beispiel ist zu sehen, dass auch eine Umsiedlung im Ernstfall nicht ausgeschlossen werden kann.

Anna Panier arbeitet als Redaktorin bei Online/Zeitung. Sie absolvierte ein Praktikum in der Medienfamilie Südostschweiz und studiert aktuell Multimedia Production im Bachelor an der Fachhochschule Graubünden in Chur. Mehr Infos

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