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Martin Bühler: «Covid-19 war ein Stresstest»

Martin Bühler ist Leiter des Kantonalen Führungsstabs Graubünden und leitet somit unter anderem das Militär und den Zivilschutz. In den letzten Monaten waren die Augen der Bevölkerung immer wieder auf ihn gerichtet, stets stand er den Medien Red und Antwort. Zeit für einen Rückblick auf die turbulenten letzten Monate und einen Blick nach vorne.

28.06.20 - 04:30 Uhr
Ereignisse
Martin Bühler Leiter des Amts für Militär und Zivilschutz
Martin Bühler ist trotz der stressigen Zeit nicht erschöpft.
OLIVIA AEBLI-ITEM

Herr Bühler, die letzten Monate müssen ziemlich stressig gewesen sein. Wie lang war Ihr durchschnittlicher Arbeitstag während der Corona-Höchstzeit?

Bühler: Die letzten vier Monate waren aussergewöhnlich für uns alle, sowohl für die Bevölkerung, als auch für mich und das gesamte Team des Kantonalen Führungsstabs (KFS). Als Chef KFS ist es meine Aufgabe, in solchen Situationen für die Bewohnerinnen und Bewohner unseres Kantons im Einsatz zu stehen. Die Arbeitsbelastung während der letzten Monate war nicht nur für mich hoch. Es war stets Teamarbeit gefragt. Die Arbeitszeit war und ist in solchen Situationen für mich persönlich zweitrangig.

Wie haben Sie diese Zeit allgemein wahrgenommen?

Die Covid-19-Pandemie war ein Stresstest für das Schweizer Gesundheitswesen, den wir bestanden haben. Die nationalen, kantonalen und kommunalen Behörden hatten und haben gemeinsam den Auftrag, alle zu schützen, insbesondere besonders gefährdete Personen. Das ist uns meiner Meinung nach rasch und wirksam gelungen.

Wie ist das gelungen?

Dank der getroffenen Massnahmen konnte die Ausbreitung des Virus innert weniger Wochen nachhaltig verlangsamt werden. Die Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen, Gemeinden und der Bevölkerung hat gut funktioniert, was die vorerst erfolgreiche Eindämmung der Pandemie erst möglich gemacht hat.

Verglichen mit den Massnahmen im Ausland, wie schneidet die Schweiz Ihrer Meinung nach ab?

Verglichen mit den umliegenden Staaten hat die Schweiz vor allem auch auf Eigenverantwortung gesetzt und insgesamt weniger restriktive Massnahmen getroffen. In der Schweiz wurde im Vergleich zu anderen Ländern während der ganzen Pandemie nie ein kompletter «Lockdown», sprich eine Ausgangssperre, verordnet. Zwar wurde die wirtschaftliche Aktivität teilweise eingeschränkt, was einzelne Branchen hart getroffen hat. Die Wirtschaft ist aber nie stillgestanden.

Wie war die Zusammenarbeit mit den anderen Behörden?

Die Zusammenarbeit im Führungsstab, mit der Regierung, mit den Gemeinden, den Medien, den Mitarbeitenden der kantonalen Verwaltung und den weiteren Partnern, beispielsweise jenen des öffentlichen Verkehrs, war stets konstruktiv und lösungsorientiert. Ich schätze das Miteinander sehr und bin überzeugt, dass wir in Graubünden eine sehr gute Kultur des Zusammenlebens und eine starke Zivilgesellschaft haben. Schliesslich ist es uns allen gemeinsam gelungen, die Pandemie unter Kontrolle zu halten und die Fallzahlen rasch zu reduzieren.

«Die Arbeitszeit war und ist in solchen Situationen für mich persönlich zweitrangig.»

Mit wem hatten Sie in dieser Zeit am meisten zu tun?

Mit einer Pandemie in diesem Ausmass hatten wir noch nie zu tun. Es gibt weltweit kaum jemanden, der nicht betroffen ist – sei es direkt oder indirekt. Entsprechend waren meine Ansprechpartner während der Pandemiebekämpfung vielseitig und wechselten sich laufend ab.

Während des Lockdowns mussten Zivilschützer und auch das Militär ihren Dienst antreten. Hat das gut funktioniert?

Die Zusammenarbeit mit den Organisationen des Bundes, mit der Armee und dem Zivildienst, verlief sehr konstruktiv und vertrauensvoll. Einen sehr grossen Einsatz leisteten die Angehörigen des Bündner Zivilschutzes. Rund 1235 Männer und Frauen standen im Einsatz und leisteten rund 8000 Diensttage. Unser Zivilschutz hat sich einmal mehr als sehr zuverlässige, breit einsetzbare und durchhaltefähige Einsatzorganisation bewährt.

Was hat weniger gut funktioniert, beziehungsweise was muss bei einer allfälligen zweiten Welle besser laufen?

Es ist klar, dass ein solch grosser und breit vernetzter Einsatz Optimierungspotenzial offenbart. Wir haben die Erkenntnisse laufend festgehalten und sind nun dabei, einen umfassenden Auf- und Nachbereitungsprozess durchzuführen. Vieles ist gut gelungen. Dennoch wird das Gelernte und Erkannte zum Teil zu sehr grundlegenden Überarbeitungen unserer Prozesse und Reglemente führen. Als grosse Herausforderung hat sich die stets zeitgerechte, gut abgestimmte, adressatengerechte und dreisprachige Kommunikation erwiesen.

Was hat Ihnen in der Corona-Lockdown-Zeit die meisten Sorgen bereitet?

Der Schutz der Bevölkerung, insbesondere der besonders gefährdeten Personen, stand stets im Vordergrund. Dennoch: Die Pandemie breitete sich schnell aus. Anfänglich wusste niemand genau, was uns konkret erwartet und wie sich die Lage entwickelt. Obwohl unter der Leitung des Gesundheitsamts im Jahr 2015 der kantonale Pandemieplan erneuert und mögliche Szenarien geplant wurden, wussten wir gerade zu Beginn wenig über den Verlauf und die Auswirkungen des Coronavirus.

Eine ziemlich unklare Lage also.

Die Aufgabe des KFS war es, trotz zum Teil unklarer Lage, zeitgerechte, klare und möglichst fundierte Entscheidungen zu treffen.

Wie geht es nun weiter?

Wichtig ist, dass wir uns weiterhin strikt an die Hygiene- und Verhaltensregeln halten, damit die bisherigen Anstrengungen auch künftig wirken. Es muss uns gemeinsam gelingen, die Fallzahlen tief zu halten, um die Bevölkerung – insbesondere die besonders gefährdeten Personen - weiterhin zu schützen.

Sind Sie nach den letzten Monaten erschöpft?

Nein, ich bin nicht erschöpft. Obwohl nun das Gesundheitsamt die Führung in der Pandemiebekämpfung wieder übernommen hat, ist es noch nicht vorbei. Zurzeit arbeiten wir intensiv an der umfassenden Aufbereitung der letzten Monate und an den Vorbereitungen auf eine mögliche zweite Welle. Zudem steht ein reduzierter Teilstab immer noch im Einsatz.

Stehen bald Ferien an?

Sobald es die Situation zulässt, möchte ich im Sommer gerne einige Ferientage mit meiner Familie geniessen. Wir haben beschlossen, die Ferien in Graubünden zu verbringen.

Mara Schlumpf ist Redaktorin und Chefin vom Dienst bei «suedostschweiz.ch». Ursprünglich kommt sie aus dem Aargau, hat ihr Herz aber vor einigen Jahren an Chur verschenkt. Mehr Infos

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