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«Leider müssen wir von vier Toten ausgehen»

Drei spanische Touristen sind am späten Mittwochabend tot im Gigerwald-Stausee bei Vättis aufgefunden worden. Ein vierter wird noch immer vermisst, nachdem gestern die Suchaktion abgebrochen werden musste. Alle sind Opfer eines Canyoning-Unglücks im Parlitobel.

Südostschweiz
13.08.20 - 20:41 Uhr
Ereignisse
In der Parlitobelschlucht im Calfeisental sind drei Canyoning-Sportler gestorben – einer wird noch immer vermisst.
In der Parlitobelschlucht im Calfeisental sind drei Canyoning-Sportler gestorben – einer wird noch immer vermisst.
Gian Ehrenzeller

von Nadine Bantli

Es ist ein unglaublich tragisches Unglück, das sich am Mittwochabend in Vättis ereignet hat. Eine Gruppe von sechs spanischen Touristen aus der Region Navarra im nördlichen Teil Spaniens hat sich gemeinsam um 16 Uhr zum Einstiegsort der Canyoning-Route in der Parlitobelschlucht bei St. Martin im Calfeisental begeben – zurückgekommen sind nur die beiden Frauen, die sich für den Wanderweg entschieden haben.

«Leider müssen wir von vier toten spanischen Freizeitsportlern ausgehen, drei Männer haben wir gestern tot bergen müssen» sagte Hanspeter Krüsi, Kommunikationsverantwortlicher der Kantonspolizei St. Gallen, zu Beginn der Medienkonferenz gestern Donnerstag in Vättis zum Canyoning-Unglück. Neben ihm sitzt Armin Grob, Fachspezialisten Canyoning von der Alpinen Rettung Ostschweiz. Der vierte Sportler gilt noch als vermisst.

Die vier spanischen Touristen, alle im Alter zwischen 30 bis 40 Jahren und alle leidenschaftliche Canyoning-Sportler, haben sich in die Schlucht begeben, während die Frauen zurückwanderten – eine von ihnen war mit einem der Todesopfer verheiratet.

Um kurz nach 18 Uhr ist direkt über der Parlitobelschlucht ein heftiges Gewitter niedergegangen. Laut SRF Meteo waren lokal heftige Gewitter mit grossen Regenmengen erwartet worden. Südlich von Vättis wurde eine Regenmenge von rund 40 Millimetern verzeichnet.

Ob die Männer tatsächlich vom Gewitter oder dessen Heftigkeit überrascht wurden, lässt sich schwer sagen. Auch sagte Hanspeter Krüsi an der Medienkonferenz, dass es für Aussagen zur Schuldfrage noch zu früh sei. Grob geht aufgrund des Fundorts davon aus, «dass die Unfallopfer von Gesteins- und Wassermassen mitgerissen wurden und so zu Tode gekommen sind.»

Drei Männer werden tot aufgefunden

Eine Stunde, nachdem die Männer nicht wie mit den Frauen vereinbart beim Parkplatz der Autos angekommen waren, informierten diese um 19 Uhr die kantonale Notrufzentrale. Unverzüglich begab sich ein Grossaufgebot von Rettungskräften zur Unglücksstelle. Nebst der Suche aus der Luft wurden parallel dazu zwei Canyoning-Spezialisten von einem Helikopter mittels Seilwinde in der Schlucht abgesetzt. «Beim ersten Überflug zeigten sich deutliche Gewittereinwirkungen und Murgänge in der Parlitobelschlucht», so Grob.

Spätabends, um 23.20 Uhr, gab es dann die erste, traurige Gewissheit: Zwei Männer wurden in der Einmündung zum Gigerwald-Stausee leblos geborgen – ein dritter wurde eine halbe Stunde später in unmittelbarer Nähe ebenfalls tot gefunden. Die Suche gestaltete sich als sehr anspruchsvoll, aufgrund der sich verschlechternden Wetterverhältnisse wurden die Canyoning-Spezialisten kurz nach Mitternacht wieder ausgeflogen, die Suchaktion um 3 Uhr morgens eingestellt. Gestern Donnerstag in der Früh wurde die Suche nach dem vierten Vermissten wieder aufgenommen, bis zum Abend konnte er aber nicht gefunden werden. Am Nachmittag musste die Suchaktion wegen starken Regenfällen erneut unterbrochen werden. Der Rayon, in dem sich der Mann befinden könnte, lässt sich nicht eingrenzen. Die Kantonspolizei muss unter den gegebenen Umständen davon ausgehen, dass auch er ums Leben gekommen ist.

«Keine speziellen Schwierigkeiten bei normalen Verhältnissen»

«Bei normalen Verhältnissen birgt die Parlitobel-, wie auch andere Schluchten, keine speziellen Schwierigkeiten für geübte Canyoning-Sportlerinnen und -Sportler», sagte Experte Armin Grob. Die Touren seien ausserdem in verschiedenen Foren beschrieben, und die Schlucht sei für jedermann zugänglich. Die vier Spanier, die ohne Guide unterwegs waren, hätten Erfahrung gehabt und schon vorher gemeinsam Canyoning-Touren gemacht – «auch in der Schweiz», führte Krüsi aus. Obwohl Vättis und das Taminatal eher als Wandergebiet bekannt sind, gibt es nebst dem Parlitobel noch eine weitere Canyoning-Route. Diese führt durch das Radeintobel am Vättnerberg. Teilweise standen über 100 Helfer im Einsatz.

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