×

Mediensprecher Christian Gartmann zum Brienzer Felssturz: «Wir haben es gehört, aber nicht gesehen»

In der Nacht auf Freitag ist es oberhalb von Brienz/Brinzauls zu einem grossen Felssturz gekommen. Christian Gartmann erklärt gegenüber Radio Südostschweiz, wie es zu der Phase Blau gekommen ist.

Nicole
Nett
16.06.23 - 05:22 Uhr
Ereignisse
Im Interview: Christian Gartmann erklärt die Hintergründe zum Beschluss der Phase Blau.
Im Interview: Christian Gartmann erklärt die Hintergründe zum Beschluss der Phase Blau.
Bild Gian Ehrenzeller / Keystone

Christian Gartmann, wir erhielten die Meldung, dass kurz vor Mitternacht die Phase Blau ausgerufen wurde ...

Ja das ist richtig. Die Geologen und Naturgefahrenexperten haben den Gemeindeführungsstab am späten Donnerstagabend informiert, dass die Geschwindigkeit in der «Insel» oberhalb von Brienz/Brinzauls regelrecht explodiert ist. Wir sehen jetzt Geschwindigkeiten von 40 Meter pro Tag betragen. Das ist eine zehn- oder fünfzehnfache Geschwindigkeit seit Donnerstagmorgen. Allerdings sehen wir in der Nacht nicht in den Hang und wissen nicht genau, was dort vor sich geht. Aber es klingt nach einem grossen Ereignis. Weil wir nicht ausschliessen können, dass das Ereignis auch die Kantonsstrasse zwischen Tiefencastel und Surava sowie Lenzerheide und die Albulalinie der Rhätischen Bahn erreicht, haben wir diese Strecken kurz vor Mitternacht gesperrt. Die Phase Blau in Brienz hat also angefangen.

Ist das jetzt einfach mal eine «nächtliche Sicherheitssperrung», weil man über Nacht nicht in das Rutschgebiet hinein sehen kann, was da genau passiert?

Die Phase Blau ist sowieso eine Sicherheitsmassnahme. Die Wahrscheinlichkeit, dass Felsmassen die unteren beiden Verkehrswege erreichen, ist klein. Aber trotzdem dürfen wir keine Kompromisse eingehen, wenn es um die Sicherheit geht – vor allem in der Nacht nicht. Wir hören zwar, dass etwas sehr grosses im Gang ist, aber können nicht sagen, in welchem Ausmass. Deshalb ist die Sicherheitssperre bis auf Weiteres im Gang.

Aber könnte es sein, dass am Freitag tagsüber die Phase Blau wieder aufgehoben wird, weil man die Lage tagsüber besser beurteilen kann?

Wenn wir sehen sollten, dass keine Gefahr für die Verkehrswege besteht, wird der Gemeindeführungsstab das bestimmt in Erwägung ziehen. Wir wollen mit solchen Verkehrsbehinderungen möglichst wenig die gesamte Umgebung, Region und der Kanton beeinträchtigen. Und dennoch müssen die Strecken gesperrt werden, bis sie wieder sicher sind.

Könnte die Phase Blau schlimmstenfalls jetzt mehrere Tage oder gar Wochen in Kraft bleiben?

Das ist rein spekulativ. Wir können über die Dauer der Phase Blau noch nichts sagen. Sie wird so lange andauern, bis die Sicherheit wieder gewährleistet ist.

Bis jetzt blieb es meist bei Stein- oder Blockschlägen; muss jetzt mit der Beschleunigung der Rutschung vielleicht tatsächlich mit einem grösseren Fels- oder gar mit einem Bergsturz gerechnet werden?

Das können wir leider nicht ausschliessen. Wir haben diese Woche gesehen, wie die Geschwindigkeiten im Hang massiv zugenommen haben. Sie haben sich immer wieder verdoppelt. Auch die Blockschläge und kleinere Felsstürze haben zugenommen. Das waren alles Hinweise auf einen neuen Prozess, der in diesem Fels beginnt. Ob das ein grösserer Bergsturz, mehrere Felsstürze oder ein Schuttstrom sein wird, können wir nicht sagen. Aber wir können nichts ausschliessen. Es ist im Moment sehr gefährlich und darum haben wir aus Sicherheit alles gesperrt. 

Nicole Nett schreibt und produziert hauptsächlich Geschichten für «suedostschweiz.ch». Die gelernte Kauffrau hat Multimedia Production studiert und lebt in der Bündner Herrschaft. Sie arbeitet seit 2017 für die Medienfamilie Südostschweiz. Mehr Infos

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Ereignisse MEHR
prolitteris