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Spesengate erzürnt die Grossräte

15 Jahre falsche Abrechnungen. Nun werden die Bündner Grossräte zur Kasse gebeten. Das verärgert viele, wie eine Umfrage von «suedostschweiz.ch» zeigt.

Philipp
Wyss
04.12.18 - 04:30 Uhr
Politik
Nachsteuern bis zu einer halben Million Franken müssen 300 betroffene Grossräte bezahlen.
Nachsteuern bis zu einer halben Million Franken müssen 300 betroffene Grossräte bezahlen.

Die Bündner Grossräte haben 15 Jahre lang fehlerhafte Lohnausweise erhalten. Reisezeiten-Entschädigungen wurden falsch deklariert. Nun müssen die Parlamentarier für die letzten zehn Jahre Nachsteuern bezahlen. Dies haben die Betroffenen vergangene Woche erfahren. Doch nicht nur die Ankündigung der Nachzahlung hat einige Grossräte erzürnt. Auch die Art der Kommunikation sorge für Kopfschütteln. Dies zeigt eine Umfrage am ersten Tag der Dezembersession.

Grossrat Lorenz Alig.
Grossrat Lorenz Alig.
MARCO HARTMANN

Lorenz Alig (FDP, Pigniu): «Ich habe vergangene Woche einen Brief erhalten und gehe davon aus, dass ich Nachsteuern zu bezahlen habe», sagte Alig auf Anfrage von «suedostschweiz.ch». Und weiter: «Ich habe aus den Medien von der Sache erfahren. Es kam mir vor, als hätten wir Grossräte etwas falsch gemacht. Und das hat mich geärgert. Es ist doch verrückt, dass die Verwaltung, das Finanzdepartement und die Finanzkommission dies 15 Jahre lang nicht bemerkt hat. Das hat mich erschüttert und erzürnt.» Alig fragt sich, «was für Spezialisten brauchen wir denn noch?» Mit 80 Kilometer Weg von zuhause nach Chur rechnet Alig mit einer Nachzahlung. Durchgerechnet, wie viel Franken er nachzahlen muss, hat er aber noch nicht. «Ich erwarte nun wieder Post vom Kanton.»

Grossrätin Vera Stiffler.
Grossrätin Vera Stiffler.
YANIK BÜRKLI

Vera Stiffler (FDP, Chur): «Als Mitglied der Präsidentenkonferenz wusste ich früh von dieser unschönen Situation. Man hat den Schwarzen Peter lange rumgeschoben aber rechtlich kommen wir nicht drumherum, die nun eingeleiteten Schritte durchzuziehen», so Stiffler. Neben diesem ersten Fehler stört sich Stiffler aber auch an der Kommunikation, extern vor intern. «Der Brief an die 300 betroffenen Grossräte ging am Mittwoch raus. Gleichzeitig wurden auch die Medien informiert. So hätten viele Grossräte aus den Medien und nicht persönlich von diesem Missgeschick erfahren. Und genau dies habe die Leute «hässig» gemacht. Zudem hätten viele die Medienmitteilung falsch verstanden, nämlich dass sie als Grossräte einen Fehler gemacht hätten, und nicht das kantonale Personalamt. «Für mich als Churerin fällt die Nachsteuer aber nicht allzu stark ins Gewicht. Wer aber beispielsweise acht Jahre lang aus dem Puschlav nach Chur reiste und womöglich noch in einer Kommission sass, der wird etliche Franken nachbezahlen müssen», so Stiffler.

Grossrat Alessandro Della Vedova.
Grossrat Alessandro Della Vedova.
OLIVIA ITEM

Alessandro Della Vedova (CVP, San Carlo): «Diese Meldung hat mich aufgeregt, nicht wegen dem Geld, aber dass dieser Fehler erst nach 15 Jahren festgestellt wurde. Das ist ein Fakt, der nicht für unsere Verwaltung spricht», so Della Vedova. Weiter findet er es auch ungerecht, dass er eine längere Anreise hat, mehr bezahlen muss, so der Standesvizepräsident. Aber man müsse diese Kröte nun schlucken, vorwärts schauen. «Das Problem sei erkannt worden und werde nun gelöst», so Della Vedova. Ausgerechnet, wie viele Franken er nachbezahlen müsse, hat Della Vedova aber nicht, er rechnet aber mit ein paar tausend Franken.

Grossrat Andri Perl.
Grossrat Andri Perl.
OLIVIA ITEM

Andri Perl (SP, Chur): «Für mich wird es ein kleiner Betrag sein, den ich nachbezahlen muss, weil ich in Chur lebe», so Perl. Erfahren hat er vom Spesen-Gate an der Fraktionssitzung. Es sei schon ein spezieller und bedauerlicher Fall. «Aber wir machen die Gesetze und müssen uns auch daranhalten. Dennoch verstehe ich den Ärger all jener, die von weit her nach Chur anreisen.»

Grossrat Martin Aebli.
Grossrat Martin Aebli.
OLIVIA ITEM

Martin Aebli (BDP, Pontresina): «Sehr speziell habe ich diese Mitteilung des Kantons gefunden», sagt Aebli. Er habe dem Kanton stets das vom Kanton vorgegebene Formular eingereicht, darauf ausgefüllt, wie er nach Chur gereist, und ob er in Chur übernachtet habe. «Ich habe den Brief so empfunden, als hätten wir Grossräte den Fehler gemacht, wir wurden teilweise als Steuerbetrüger dargestellt.» Er benötige keine andere Behandlung, als andere Bürger, «aber ich bin enttäuscht und mein Rechtsempfinden ist gestört, auch wenn das Ganze nun sachlich richtig gemacht wird.» Aebli hat nachgerechnet und kam auf 20'000 Franken zusätzliches steuerbares Einkommen.

Grossratssession
Jan Koch im Interview mit TV Südostschweiz.
MARCO HARTMANN

Jan Koch (SVP, Igis): «Um 7000 Franken steigt das steuerbare Einkommen», sagt Koch. Er spricht von einem unschönen Fehler, der nicht hätte passieren sollen. «Der Kanton verlangt von jedem Unternehmen, dass es richtig abrechnet. Und ausgerechnet der Kanton hat hier einen Fehler gemacht, der während 15 Jahren nicht bemerkt wurde.» für Koch ist es aber richtig, dass die Grossräte den Fehler ausbaden und nicht der Kanton und dass die Sache wie bei jedem anderen Unternehmen rückwirkend verrechnet wird. In seinem Fall macht der Fehler rund 7000 Franken aus, «das entspricht dem Beitrag für die Säule 3a».

Die falsch deklarierten Entschädigungen belaufen sich für alle Mitglieder des 120-köpfigen Grossen Rates auf 150’000 Franken pro Jahr. Insgesamt wurde also in den vergangenen 15 Jahren eine Lohnsumme von etwa 2,25 Millionen Franken falsch deklariert.

Regierungsrätin Barbara Janom Steiner (BDP) sieht sich als Überbringerin der schlechten Nachricht. «Früher wurden solche geköpft», sagte sie vor der Dezembersession. Das Ganze muss aber korrigiert werden. Und das Personalamt habe diesbezüglich einige Anfragen beantworten müssen. Ansonsten habe sie aber keine Reaktionen erhalten, so Janom Steiner.

Philipp Wyss ist Chefredaktor der gemeinsamen Redaktion der Zeitung «Südostschweiz» und der Internetseite «suedostschweiz.ch». Damit zeichnet er für das Team und für den Inhalt dieser Produkte verantwortlich. Mehr Infos

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