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Adieu Martin, tschüss Barbara!

Wir tickern für Euch die wichtigsten Entscheidungen und Reaktionen aus dem Bündner Kantonsparlament. In der Dezembersession gings um das Kantonsbudget, die Sonderjagdinitiative und die Bundesratswahl, um Aufträge und Anfragen sowie um die Verabschiedung der Regierungsräte Barbara Janom Steiner und Martin Jäger.

Philipp
Wyss
05.12.18 - 18:10 Uhr
Politik

Ticker

Regierungsrat Christian Rathgeb während der Dezembersession.
Regierungsrat Christian Rathgeb während der Dezembersession.
OLIVIA ITEM

Am dritten und letzten Tag der Dezembersession hat der Bündner Grosse Rat:

  • Die Fragestunde abgehalten
  • Den Gemeindestrukturbericht debattiert und zur Kenntnis genommen.
  • Anfragen und Aufträge behandelt
  • Regierungsrätin Barbara Janom Steiner und Regierungsrat Martin Jäger verabschiedet
  • Die Dezembersession beendet


Die nächste Session findet vom 11. bis 13. Februar 2019 statt. Die Aprilsession fällt aus. Die Debatten sind öffentlich.

Tränen zum Abschied

Standespräsidentin Tina Gartmann-Albin (SP, Chur) verabschiedet die Ende Jahr aus der Regierung austretenden Barbara Janom Steiner (BDP) und Martin Jäger (SP). Janom Steiner wurde am 30. März 2008 in die Bündner Regierung gewählt, Jäger am 13. Juni 2010. Während Janom Steiner (55) aufgrund der Amtszeitbeschränkung aus der Exekutive ausscheidet, trat Jäger bei den letzten Wahlen nicht mehr an und tritt 65-jährig in den Ruhestand. «Beide werden uns fehlen», lobt Gartmann-Albin. Mit Janom Steiner verlieren wir die einzige Frau in der Regierung, «was ich persönlich sehr bedaure», so Gartmann-Albin. Jäger sei bei allen Kompromissen von einem Ziel nie abgewichen: Jeder Bündner Schüler sollte nach der Schulzeit Rumantsch Grischun zumindest verstehen können.

Gartmann-Albin überreicht Janom Steiner und Jäger ein Präsent. Minutenlanger Applaus ertönt im Grossratssaal. «Gegen Angriffe kann man sich wehren, gegen Lob ist man machtlos», sagt eine sichtlich gerührte Regierungsrätin. «Danke für die lieben Worte, sie berühren mich», sagt Janom Steiner. «Meine Nase läuft. Entschuldigen sie», so Janom Steiner. «Meine Augen übrigens auch.» Und weiter: «Es war ein grosses Privileg, mit Ihnen zusammen arbeiten zu dürfen, und eine grosse Ehre dem Kanton dienen zu dürfen.»

Nun ergreift auch Jäger das Wort. Er blickt zurück auf «mein halbes Leben in der Politik.» Jäger schwelgt in Erinnerungen, als er sagt, dass der Grossratssaal früher ganz anders aussah; eine Holzdecke, fast nur schwarz gekleidete Männer und dicke Arbeitspulte mit Schubladen, erzählt Jäger. Nur das Wandbild von Alois Carigiet sei immer da gewesen. «Ich weiss nicht, wie oft ich es mir angeschaut und wieder neues entdeckt habe.» Jäger dankt, wünscht allen den Weitblick und sagt: «Wir, und auch die kommenden Generationen haben nur eine Welt, nur eine Schweiz und nur einen Kanton Graubünden.»

Langsam geht es dem Ende entgegen ...

Standespräsidentin Tina Gartmann-Albin (SP, Chur) hat den gesamten Arbeitsplan der Dezembersession souverän «durchgeboxt». Nachdem sich die Grossräte in Diskussion und Wortmeldungen in der Behandlung der zehn Anfragen und Anträge am Mittwochnachmittag zurückhielten, endet die parlamentarische Arbeit mit der Anfrage von Grossrätin Julia Müller (SP, Felsberg) betreffend Umsetzung der Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt im Kanton Graubünden. Grossrätin Silvia Hofmann (SP, Chur) echauffiert sich über «die Plagiate, die die Regierung in der Antwort der Anfrage verwendete. Darin schreibt die Regierung: Am 1. April 2018 ist das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) für die Schweiz in Kraft getreten. Sie ist das umfassendste internationale Übereinkommen, welches sich die Bekämpfung dieser Art von Menschenrechtsverletzungen zum Ziel setzt. Die Eckpfeiler des Übereinkommens sind die Bereiche Gewaltprävention, Opferschutz, Strafverfolgung sowie ein integrativer Politikansatz. Und weiter: Graubünden wird nach der nationalen Konferenz zur Istanbul-Konvention in Bern die Ergebnisse und die empfohlenen Massnahmen der Arbeitsgruppe prüfen und aufgrund der kantonsinternen Abklärungen über das weitere Vorgehen entscheiden. Er beabsichtigt, die Umsetzung wenn möglich interkantonal zu koordinieren. Regierungsrat Jon Domenic Parolini (BDP) sagt, dass häusliche Gewalt sehr ernst genommen werden müsse, aber nicht vom Staat alleine gelöst werden könne. Dass Fakten ohne Quellenangabe übernommen wurden, entschuldigt Parolini.

Strassenverkehrsamt

Zuviel Gebühren für das GR-Kontrollschild?

Grossrat Tino Schneider (CVP, Chur) stört sich an den Gebühren des Strassenverkehrsamtes und möchte diese senken: Der Preisüberwacher hat 2010, 2014 und 2018 die Gebühren der kantonalen Strassenverkehrsämter untersucht. Der neuste Gebührenvergleich hat erneut interkantonale Gebührenunterschiede aufgezeigt. Unter anderem in Graubünden besteht eine erhebliche Kostenüberdeckung. Nun sollen die Gebühren des Strassenverkehrsamtes so gesenkt werden, dass diese ab 2020 nur noch kostendeckend erhoben werden. In ihrer Antwort schreibt die Regierung, dass der neuste Gebührenvergleich keine wesentlichen neuen Erkenntnisse bringe. Der Reinertrag beim Strassenverkehrsamt fällt vollständig in die Strassenrechnung, schreibt die Regierung. Der Wegfall oder eine wesentliche Reduzierung des Betrags müsste laut Regierungsrat Christian Rathgeb (FDP) durch zusätzliche Steuergelder ausgeglichen werden oder er hätte Ausgabenkürzungen im Strassenbereich zur Folge. Unsere Gebühren beinhalten weitere Dienstleistungen, die in der Berechnung so nicht abgegrenzt wurden, so Rathgeb weiter. Zudem wäre eine Gebührensenkung für einzelne Betroffene kaum spürbar. Weiter argumentiert Rathgeb, dass das Parlament die Grundlage für die heutige Gebührenerhebung, so wie sie heute gelte, einst abgesegnet habe. Pro Jahr macht die Gebührendifferenz im Vergleich zum billigsten Kanton 9 bis 13 Franken aus. Nach allen Korrekturen der Berechnung des Preisüberwachers würde die Korrektur zwischen 0 und 3 Franken liegen, rechnet Rathgeb vor. Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den Auftrag abzulehnen. Der Auftrag wird mit 61:40 Stimmen bei 2 Enthaltungen nicht überwiesen.

Finanzkompetenz der Regierung

In den Staatsrechnungen 2016 und 2017 wurden dem Grossen Rat Verpflichtungskreditanträge von grosser finanzieller Tragweite zur Genehmigung vorgelegt: 3,95 Millionen Franken für den Neubau des Busterminals in Ilanz, bei 13,4 Millionen Franken für die Instandsetzung des Schulgebäudes am Plantahof und bei 31,4 Millionen Franken für die bauliche Gesamtsanierung des Konviktes der Bündner Kantonsschule. Bereits in der Budgetbotschaft 2017 wurden drei Verpflichtungskredite zwischen 0,865 und 5,9 Millionen Franken beantragt. Als Information für den Grossen Rat und für die Öffentlichkeit diente eine knapp verfasste Kurzbotschaft zu den einzelnen Geschäften. Es ist festzustellen, dass in den letzten Jahren die Verpflichtungskreditanträge der Regierung über Jahresrechnung und Budgetbotschaft merklich zugenommen haben, so Grossrat Gian Michael (BDP, Donat) in seinem Fraktionsauftrag.

In ihrer Antwort schreibt die Regierung, dass Verpflichtungskredite dann zu beantragen seien, wenn sich ein grösseres kantonales Vorhaben (ab 1 Million Franken) auf mehrere Jahre verteilt. Davon ausgenommen seien Strassenprojekte. Separate Botschaft seien zu beantragen, wenn ein Verpflichtungskredit dem obligatorischen Finanzreferendum untersteht (neue Ausgaben über 10 Millionen Franken). In den vergangenen gut zehn Jahren hat die Regierung dem Grossen Rat 48 Anträge zur Genehmigung von Verpflichtungskrediten unterbreitet. In 20 Fällen erfolgte der Antrag in einer separaten Botschaft, in vier Fällen davon kam das obligatorische Finanzreferendum zum Zug, in neun Fällen das fakultative Finanzreferendum mit Beträgen unter 10 Millionen Franken und in sieben Fällen lagen gebundene beziehungsweise vom Finanzreferendum ausgeschlossene Ausgaben von in der Regel über 10 Millionen vor.

Die Regierung beabsichtigt, bei der nächsten Revision die Verordnung über den kantonalen Finanzhaushalt so anzupassen, dass Verpflichtungskreditanträge über 10 Millionen dem Grossen Rat mit separater Botschaft unterbreitet werden. Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den BDP-Fraktionsauftrag wie folgt abzuändern: Die Regierung wird beauftragt, die Finanzhaushaltsverordnung so anzupassen, dass Verpflichtungskredite für Ausgaben über 10 Millionen Franken dem Grossen Rat zwingend mit einer separaten Botschaft vorgelegt werden. Grossrätin Silvia Casutt-Derungs (CVP, Falera) ist für Ablehnen des Fraktionsauftrag und auch gegen den «Gegenentwurf» der Regierung. Regierungsrätin Barbara Janom Steiner (BDP) macht in ihrem Votum Werbung für die Überweisung im Sinne der Regierung. «Fünf Millionen erreicht man auch bei zwingenden Projekten wie beispielsweise den Ersatz einer EDV-Anlage schnell. Ich bitte Sie, um die Überweisung des Auftrages im Sinne der Regierung.» Das Parlament überweist den abgeänderten Auftrag mit 82:27 Stimmen bei 0 Enthaltungen im Sinne der Regierung.

Kita Arche Krippe
Kinder spielen in der Kinderkrippe Arche in Chur.
ARCHIV

Kitas nur noch in den Zentren?

Grossrätin Gabriela Tomaschett-Berther (CVP, Trun) stellte eine Anfrage betreffend Angebotssubventionierung familienergänzender Kinderbetreuung in den Regionen. Regierungsrat Jon Domenic Parolini (BDP) erläuterte, dass Kanton und Gemeinden sich momentan an den statistischen Normkosten von Kindertagesstätten, Krippen und Mittagstischen beteiligen. Der Bund möchte Kantone und Gemeinden unterstützen, die ihre Subventionierung der familienergänzenden Kinderbetreuung ausbauen und damit die Kosten für die Eltern senken. Dies verlangt Grossrats-Stellvertreterin Sandra Spadarotto (SP, Chur), Fachstellenleiterin des Fachverbands Kinderbetreuung Graubünden. «Die Kinderbetreuung ist zu teuer.» Wer geht arbeiten, wenn der Lohn gerade für die Kinderbetreuung in einer Tagesstätte reicht, fragt Spadarotto. Entsprechend würden Frauen in der Wirtschaft fehlen.

Die Frage: Wie werden die Normkosten vor allem in den Regionen von den effektiven Aufwendungen zum Erhalt und zur Entwicklung der Einrichtungen abweichen, beantwortete die Regierung wie folgt: Die Annahme, dass die Normkosten vor allem in den Regionen von den effektiven Aufwendungen zum Erhalt und zur Entwicklung der Einrichtungen abweichen, hat sich in den bisherigen Analysen von sozialen Einrichtungen nicht bestätigt. Weiter schreibt die Regierung: Die Fragen zur Finanzierung sind aktuell Gegenstand der Analyse. Regierungsrat Parolini stellt in der Diskussion fest, dass über Parteigrenzen hinaus die Bereitschaft bestehe, mehr Geld für die Kinderbetreuung bereit zu stellen.

Consiglio nazionale: Legge sul CO2 privata degli obiettivi nazionali, uffa! Semadeni Silva (S, GR): "Ve lo devo dire...

Posted by Silva Semadeni on Wednesday, December 5, 2018
Grosser Rat August 2018
Standesvizestandespräsident Alessandro Della Vedova und Standespräsidentin Tina Gartmann-Albin.
YANIK BÜRKLI

Standespräsidentin will 2019 neu anfangen

Nach der Behandlung von drei Anfragen und Aufträgen übergibt Standesvizepräsident Alessandro Della Vedova (CVP, San Carlo) die Ratsleitung zurück an Standespräsidentin Tina Gartmann-Albin (SP, Chur). Diese macht dem Parlament sogleich klar, dass sie keine Aufgaben ins neue Jahr mitnehmen und die verbleibenden sieben Anfragen und Aufträgen noch vor dem Ende der Dezembersession am Mittwochnachmittag behandeln möchte. «Bitte helfen Sie mir, dass dies gelingt», appelliert Gartmann-Albin ans Parlament. Erst danach wird die Verabschiedung von Regierungsrätin Barbara Janom Steiner (BDP) und Regierungsrat Martin Jäger (SP) stattfinden.

Grosser Rat Grossrat Dezembersession
Regierungsrat Martin Jäger im Gespräch mit Grossrat Roman Hug (links).
OLIVIA ITEM

Jäger freut sich auf den neuen Lebensabschnitt

Nicht nur für Barbara Janom Steiner (BDP) endet mit der Dezembersession die Zeit auf der Regierungsbank im Bündner Parlament. Auch Regierungsrat Martin Jäger (SP) beendet Ende Jahr seine Zeit in der Bündner Exekutive. Er sei noch auf die Beantwortung von Anfragen fokussiert und vorbereitet, sagte Jäger vor dem Mittag auf Anfrage von «suedostschweiz.ch». Ende Jahr würde für ihn ein neuer Lebensabschnitt beginnen, «und darauf freue ich mich». Auch er habe um einen Sitz in der Bündner Regierung gestritten, entsprechend habe er schon auch etwas Wehmut. «Würde ich jetzt aber jammern, wäre ich selber schuld», so Jäger. Und: «Ich freue mich auf einen neuen Lebensabschnitt.»

Im Gegensatz zur Amtszeitbeschränkung von Janom Steiner (55, Wahl 2008) ist Jäger nach acht Jahren in der Regierung im vergangenen Frühjahr nicht mehr zur Wiederwahl angetreten. Jäger wurde im Juli 65. Hier findet Ihr ein Interview mit Janom Steiner.

 

 

Initiant Mathis fordert 100'000 vom Kanton

Am Dienstag hat der Grosse Rat die umstrittene Sonderjagd debattiert und dem Stimmvolk zur Ablehnung empfohlen. Aufgrund eines Entscheides des Bundesgerichts können die Bündner nächstes Jahr aber doch über die umstrittene Sonderjagd auf Hirsche abstimmen. In diesem Zusammenhang fordert nun Initiant der Sonderjagdinitiative, Christian Mathis, 113’000 Franken vom Kanton.

Gemäss dem Regionaljournal Graubünden von Radio SRF hat der Initiant den Kanton Graubünden betrieben. Er fordert 113’000 Franken. So viel hat er für den Gang vors Bundesgericht bezahlt, welches die Sonderjagdinitiative für gültig erklärte. Diese Zusatzschlaufe vors Bundesgericht wäre vermeidbar gewesen, so Mathis, wenn Regierungsrat Mario Cavigelli dem Grossen Rat nicht Fakten vorenthalten hätte. Gegen Mathis’ Betreibung hat der Kanton Rechtsvorschlag erhoben. Hingegen hat er die Verfahrenskosten, welche ihm das Bundesgericht auferlegt hat, an Initiant Mathis überwiesen. Es handelt sich dabei um einen Betrag von 3000 Franken. (us)

 

Und weiter gehts ...

Standesvizepräsident Alessandro Della Vedova (CVP, San Carlo) eröffnet den letzten Nachmittag der Dezembersession. Als erstes wird der Auftrag Felix Koch (BDP, Tamins) betreffend Fussgänger- und Radweg-Verbindung Tamins–Domat/Ems/Anschluss Vial behandelt. Da Koch nicht mehr im Parlament sitzt, spricht Martin Wieland (FDP, Tamins) zum Auftrag und bittet um Überweisung an die Regierung. Der Veloweg sei für die Anbindung des Gebiets sehr wichtig, heisst es im Rat. Nach einer langen Diskussion, in der Regierungsrat Mario Cavigelli (CVP) erklärte, welche Gewalt (Staat, Kanton, Gemeinde) welche Aufgaben zu erfüllen habe, wird die Überweisung des Auftrags an die Regierung durch das Parlament abgelehnt.

Philipp Wyss ist Chefredaktor der gemeinsamen Redaktion der Zeitung «Südostschweiz» und der Internetseite «suedostschweiz.ch». Damit zeichnet er für das Team und für den Inhalt dieser Produkte verantwortlich. Mehr Infos

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