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LGB-Komitee wirbt für Ja zur erweiterten Anti-Rassismus-Strafnorm

Am 9. Februar entscheidet das Stimmvolk über die erweiterte Anti-Rassismus-Strafnorm, die Lesben, Schwule und Bisexuelle vor Hass und Diskriminierung schützen soll. Aus Sicht der Befürworterinnen und Befürworter wäre ein Ja ein klares Zeichen gegen Homophobie.

Agentur
sda
28.11.19 - 11:39 Uhr
Politik
Die Diskriminierung Homosexueller soll unter Strafe gestellt werden. Betroffene setzen sich für ein Ja an der Urne ein. (Archivbild)
Die Diskriminierung Homosexueller soll unter Strafe gestellt werden. Betroffene setzen sich für ein Ja an der Urne ein. (Archivbild)
KEYSTONE/MARTIN RUETSCHI

Die Akzeptanz gegenüber Lesben, Schwulen und Bisexuellen sei in den vergangenen Jahren zwar stetig gewachsen, schreibt das Komitee «Ja zum Schutz vor Hass». Nach wie vor seien aber Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung Hass, Hetze und Diskriminierung ausgesetzt.

Das falle nicht unter das Recht auf freie Meinungsäusserung, sagte Matthias Erhardt, der Co-Präsident der Genfer LGBT-Vereinigung, am Donnerstag vor den Medien in Bern. «Die Meinungsfreiheit endet dort, wo die Menschenwürde anderer verletzt wird.»

Gesetzeslücke schliessen

Mit der Erweiterung der Anti-Rassismus-Strafnorm wird aus Sicht der Befürworterinnen und Befürworter eine Gesetzeslücke geschlossen. Worin diese besteht, erläuterte Salome Zimmermann, Co-Präsidentin der Lesbenorganisation LOS und ehemalige Bundesverwaltungsrichterin.

Wer als Individuum verbal angegriffen werde, könne sich schon heute strafrechtlich wehren. Kein strafrechtlicher Schutz bestehe hingegen, wenn öffentlich zu Hass oder Diskriminierung von Lesben, Schwulen und Bisexuellen als Gruppe aufgerufen werde. Das würde sich bei einem Ja am 9. Februar ändern.

Nachtclub, Kita, Hochzeitstorte

Bestraft würde auch, wer jemandem aufgrund der sexuellen Orientierung eine Leistung verweigert, die für die Allgemeinheit bestimmt ist. Zimmermann verwies auf den Fall eines Männerpaares in Lenzburg, dessen Kinder nicht in eine Kita aufgenommen wurden. Die Kita-Leiterin habe das damit begründet, dass die Familienkonstellation «weder normal noch natürlich» sei.

Gegen solches könnten sich die Betroffenen künftig wehren. Mit der neuen Strafnorm erhielte auch ein Nachtclub Probleme, der sich zur «schwulenfreien Zone» erklärt. Bestraft werden könnte ferner ein Bäcker, der lesbischen Paaren keine Hochzeitstorten backen will. Allerdings könnte er die Dienstleistung mit anderer Begründung verweigern, etwa Überlastung, sagte Zimmermann.

Auch könnte der Bäcker ungestraft öffentlich sagen, er sei gegen die Ehe für homosexuelle Paare. Ebenfalls nicht unter die Strafnorm fällt, was jemand in seinem Freundeskreis oder am Stammtisch äussert.

In anderen Ländern längst geregelt

Unter Strafe gestellt würde lediglich der Aufruf zu Hass und Diskriminierung, sagte Reto Rufer von Amnesty International - wie in den meisten Ländern Europas. Dass die Schweiz bisher keine solche Regelung kenne, sei einer der Gründe für ihren schlechten Platz auf der Rangliste der LGBT-Freundlichkeit. Die Schweiz liege dort auf Rang 27 von 49 europäischen Ländern.

Aus menschenrechtlicher Perspektive sei die Sache klar, sagte Rufer. Aufrufe zu Hass und Diskriminierung seien Verstösse gegen die Menschenrechte der Betroffenen und nicht Ausdruck der Meinungsäusserungsfreiheit.

Das Argument der Gegnerinnen und Gegner, mit der neuen Regelung erhielten Homo- und Bisexuelle «Sonderrechte», lässt das Komitee nicht gelten. Strafbar wäre die Diskriminierung aufgrund jeder sexuellen Orientierung - auch der heterosexuellen, argumentiert es.

Unterstützung der Kirche

Unterstützung erhält die LGB-Gemeinschaft aus kirchlichen Kreisen. Die reformierte Landeskirche setzt sich für ein Ja ein. Bibelstellen zu gleichgeschlechtlichen sexuellen Praktiken sprechen aus ihrer Sicht nicht dagegen.

Es sei die Überzeugung der Kirche, dass biblische Aussagen «theologisch verantwortet und reflektiert» in die Gegenwart übertragen werden müssten, sagte Michel Müller, Kirchenratspräsident der reformierten Kirche des Kantons Zürich. Dazu gehöre das Bewusstsein über die geschichtliche Bedingtheit biblischer Aussagen.

In der Geschichte der Religionen und Kirchen - auch in jener der reformierten Kirche - sei es immer wieder zur Unterdrückung, Diskriminierung und Diffamierung von schwulen, lesbischen und bisexuellen Menschen gekommen, stellte Müller fest. Deshalb trage die Kirche heute eine grosse Verantwortung. Sie habe sich zum Ziel gesetzt, bei all ihrem Wirken darauf zu achten, dass niemand diskriminiert werde - im Wissen darum, dass Worte zu Taten führen könnten.

Die jurassische CVP-Ständerätin Anne Seydoux-Christe gab zu bedenken, Hass und Hetze gegen Homosexuelle beträfen nicht nur diese. «Sie betreffen uns alle.» Im Zeitalter der sozialen Medien nähmen die Vorfälle zu. Der Rechtsstaat habe die Aufgabe, Minderheiten zu schützen. Es sei «absolut gerechtfertigt», die Anti-Rassismus-Strafnorm zu erweitern.

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