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Das Schweigen der Richter

Das Kantonsgericht hätte bestimmte Passagen im PUK-Bericht am liebsten gelöscht. Jetzt weiss man, warum.

Olivier
Berger
14.12.19 - 04:30 Uhr
Politik
Auf Granit gebissen: Die PUK Baukartell (Bild) kann einen Gerichtspräsidenten nicht zur Auskunft zwingen.
Auf Granit gebissen: Die PUK Baukartell (Bild) kann einen Gerichtspräsidenten nicht zur Auskunft zwingen.
OLIVIA AEBLI-ITEM

Auch wenn die Berichte der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) und von Andreas Brunner Licht in die Polizeieinsätze um den Baukartell-Informanten Adam Quadroni gebracht haben: Einzelne Bereiche der Einsätze liegen nach wie vor im Dunkeln. Dies, weil weder eine Mitarbeiterin des zuständigen Sozialdienstes noch der Präsident des Regionalgerichts Unterengadin Val Müstair vom Amtsgeheimnis entbunden wurden.

Zwei neu publizierte Entscheide der Justizaufsichtskammer des Kantons- gerichts Graubünden zeigen jetzt, wieso der Gerichtspräsident weder der PUK noch Sonderermittler Brunner Auskunft geben durfte. Das Kantonsgericht hatte ihm dies gleich zweimal untersagt – in einem Fall allerdings lediglich teilweise.

Was die PUK darf – oder nicht

Ein erstes Mal war der Gerichtspräsident demnach im März vergangenen Jahres mit einem Gesuch um Entbindung vom Amtsgeheimnis ans Kantonsgericht gelangt. Dies, nachdem er von der Departementssekretärin des kantonalen Departements für Justiz, Sicherheit und Gesundheit (DJSG) einen Fragebogen zur Beantwortung erhalten hatte. Der Fragebogen gehörte zur Untersuchung von Andreas Brunner.

Auch wenn das DJSG verschiedene Behörden und Personen vom Amtsgeheimnis entbunden hatte: Für den Gerichtspräsidenten galt das nach der Meinung des Kantonsgerichts nicht. Das Kantonsgericht beruft sich dabei auf die Kantonsverfassung. Laut dieser seien «die Unabhängigkeit und die Unparteilichkeit der Gerichte gewährleistet», heisst es dazu im Entscheid. «Das bedeutet, dass die Gerichte in ihrer eigentlichen Tätigkeit nicht weisungsgebunden und niemandem Rechenschaft schuldig sind.»

Allerdings heisst es in Artikel 52 der Bündner Kantonsverfassung: «Der Grosse Rat übt die Aufsicht über das Kantonsgericht und das Verwaltungsgericht sowie die Oberaufsicht über die anderen Zweige der Rechtspflege aus.» Dessen ist sich auch das Kantonsgericht bewusst, wie aus den beiden Entscheiden hervorgeht. Allerdings hält die Verfassung im selben Artikel auch fest: «Aufsicht und Oberaufsicht beschränken sich auf die Geschäftsführung und die Justizverwaltung.» Diese stellte, so das Kantonsgericht in seinem zweiten Entscheid, «jenen Teil der gerichtlichen Tätigkeit dar, der nicht die Rechtssprechung umfasst». Die Grundsätze der Gewaltenteilung und Unabhängigkeit «verbieten demgegenüber eine parlamentarische Kontrolle der Gerichte im Bereich der Rechtssprechung».

Gerichtsteil sollte verschwinden

Auch der zweite Entscheid des Kantonsgerichts musste wegen eines Gesuchs des Gerichtspräsidenten aus dem Unterengadin gefällt werden. Er hatte sich im September beim Gericht gemeldet und erneut darum ersucht, vom Amtsgeheimnis entbunden zu werden. Diesmal hatte ihn die PUK kontaktiert und ihm die Möglichkeit gegeben, zu einem Entwurf ihres – mittlerweile in der Endfassung veröffentlichten – Berichts Stellung zu nehmen. Der Gerichtspräsident bat das Kantonsgericht auch darum, ihm klar mitzuteilen, in welchem Umfang er vom Amtsgeheimnis entbunden sei.

Wie aus dem Entscheid vom 30. September hervorgeht, hat das Kantonsgericht den Präsidenten des Regionalgerichts Unterengadin Val Müstair tatsächlich vom Amtsgeheimnis entbunden. Dies allerdings nur, um der PUK mitteilen zu können, das Kantonsgericht sei der Auffassung, «dass die PUK Baukartell für die Untersuchung der Vorgehensweise und des Verhaltens» des Richters «nicht zuständig» sei und das Gericht es begrüssen würde, «wenn die ihn betreffenden Passagen umgehend aus dem Bericht der PUK Baukartell gelöscht würden».

PUK hat nichts gelöscht

Aus dem Berichtsentwurf seien keine Passagen über den Gerichtspräsidenten gelöscht worden, betont PUK-Vizepräsidentin Beatrice Baselgia. Man habe aber aufgrund der Stellungnahme des Richters – die im Anhang zum definitiven Bericht zu finden ist – und auf dessen Wunsch um einen Absatz ergänzt. «Wir weisen im Bericht darauf hin, dass sich das Kantonsgericht in zwei Verfahren offenbar mit dem Verhalten des Richters auseinandergesetzt hat.» Das Ergebnis der Überprüfung durch das Kantonsgericht sei der PUK allerdings nach wie vor nicht bekannt.

Die Kritik des Kantonsgerichts an der PUK (siehe Frontseite) weist Baselgia dagegen deutlich zurück. «Es war Teil unseres Auftrags, Wertungen vorzunehmen», sagt sie. «Das haben wir getan.» Die PUK masse sich nicht an, das Verhalten des Richters juristisch zu bewerten. «Aber wir stellen uns die Frage, ob er immer psychologisch geschickt vorgegangen ist.»

Olivier Berger wuchs in Fribourg, dem Zürcher Oberland und Liechtenstein auf. Seit rund 30 Jahren arbeitet er für die Medien in der Region, aktuell als stellvertretender Chefredaktor Online/Zeitung. Daneben moderiert er mehrmals jährlich die TV-Sendung «Südostschweiz Standpunkte». Mehr Infos

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