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Integrationsmassnahmen haben kaum eine Sogwirkung

Flüchtlinge und Migranten entscheiden sich nicht wegen Integrationsmassnahmen für ein bestimmtes Land. Auch hängt es nicht primär vom Grad der Integration ab, ob Geflüchtete später in ihre Heimat zurückkehren oder nicht. Zu diesem Schluss kommt ein Forschungsbericht.

Agentur
sda
20.12.19 - 13:40 Uhr
Politik
Ein Flüchtling in einem Deutschkurs. Laut einem Bericht zahlen sich solche Integrationsmassnahmen aus. (Themenbild)
Ein Flüchtling in einem Deutschkurs. Laut einem Bericht zahlen sich solche Integrationsmassnahmen aus. (Themenbild)
GAETAN BALLY

Im Auftrag des Nationalrates hat der Bundesrat die Zusammenhänge zwischen Migration, Integration und Rückkehr abklären lassen. Der Nationalrat hatte ein Postulat der SVP-Fraktion angenommen. Diese wollte unter anderem wissen, ob Integrationsmassnahmen nicht falsche Anreize im Hinblick auf eine spätere Rückkehr der Migranten setzten.

In einem am Freitag veröffentlichten Bericht stellt der Bundesrat den Stand der Forschung zu solchen Fragen dar. Er sieht sich in seiner Politik bestätigt: Die Erkenntnisse stützten die Stossrichtung der schweizerischen Politik - namentlich die Beschleunigung der Asylverfahren und die Integrationsagenda, schreibt er.

Kosten sparen

Gemäss den Forschungsergebnissen lassen sich mit einer frühzeitigen und intensiven Integrationsförderung langfristig Kosten sparen. Ein früher Erwerb sprachlicher und beruflicher Kompetenzen eröffnet den Asylsuchenden bessere Perspektiven, ob sie nun in der Schweiz bleiben oder in ihre Heimat zurückkehren.

Die Forscherinnen und Forscher haben kaum Hinweise dafür gefunden, dass Integrationsmassnahmen einen Einfluss auf die Wahl eines bestimmten Ziellandes haben. Die Zusammenhänge zwischen Migration, Integration und einer möglichen Rückkehr seien vielschichtig, halten sie fest. Sie liessen sich nicht auf ein einfaches Verständnis von Druck («push») und Sogwirkung («pull») reduzieren.

Zugang zum Arbeitsmarkt

Was die Anziehungskraft von Zielländern betrifft, spielen insbesondere bei der Arbeitsmigration der Bedarf eines Landes und der Zugang zum Arbeitsmarkt eine grössere Rolle als Integrationsmassnahmen.

Für den Entscheid zur Rückkehr spielt das «emotionale Ankommen» in der Gesellschaft eine Rolle. Dabei hätten besonders eingeschulte Kinder und Familienmitglieder einen Einfluss, schreiben die Autorinnen und Autoren. Je weniger sich der Lebensmittelpunkt ins Aufnahmeland verschiebe, desto höher bleibe die Rückkehrbereitschaft.

Schulden abzahlen

Migrantinnen und Migranten, die viel Geld in ihre Migration investiert hätten, müssten ausserdem unter Umständen Schulden an Bekannte, Familienmitglieder oder auch Schlepper abzahlen, bevor sie eine Rückkehr erwägen würden.

Entscheidend für die Rückkehr blieben die Situation und die Sicherheit im Heimatland. Oft entschieden also Kriterien über Aufenthalt und Rückkehr, die von der Schweiz oder der Schweizer Politik nicht direkt gesteuert werden könnten, heisst es im Bericht.

Fokussierung auf Rückkehr kostet

Fest steht für die Forscherinnen und Forscher, dass eine ausschliessliche Fokussierung auf eine mögliche Rückkehr langfristig zu hohen Kosten für die Aufnahmegesellschaft und Herausforderungen im gesellschaftlichen Zusammenleben führt, wenn sich schliesslich ein Verbleib abzeichnet.

Der Bericht des Bundesrates stützt sich auf die Ergebnisse einer Literaturanalyse. Diese wurde durch das Schweizerische Forum für Migrations- und Bevölkerungsstudien an der Universität Neuenburg und das International Centre for Migration Policy Development mit Sitz in Wien erarbeitet.

Keine Verdrängung

Thematisiert wird auch die Frage, ob es zu einer Verdrängung auf dem Arbeitsmarkt kommen könnte. Dazu heisst es, die Arbeitsmigration wirke weitgehend komplementär. In der Schweiz hätten aufgrund der Arbeitsmigration insgesamt kaum negative Einflüsse auf die Arbeitslosigkeit oder das Lohnniveau der einheimischen Bevölkerung nachgewiesen werden können.

In der Asylmigration sei eine Verdrängung von Schweizerinnen und Schweizer ebenfalls unwahrscheinlich. Eine Konkurrenzsituation entstehe am ehesten bei wenig qualifizierten Personen. In der Schweizer Bevölkerung seien typischerweise ausländische Arbeitnehmende betroffen.

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