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Staatsanwalt wirft Reeder «inszenierte Machenschaften» vor

In Bern hat am Montag der Prozess gegen einen ehemaligen Reeder der Schweizer Hochseeflotte begonnen. Ein Staatsanwalt wirft dem Mann vor, dank «inszenierter Machenschaften» zu Bürgschaften der Eidgenossenschaft gekommen zu sein.

Agentur
sda
22.06.20 - 18:38 Uhr
Blaulicht

In der Anklageschrift des Staatsanwalts steht, der heute 66-jährige Reeder sei für insgesamt fünf Schiffe unter Vortäuschung falscher Angaben zu den Bürgschaften gekommen. Vier dieser Schiffe wurden in Japan gebaut, eines in China.

Im Fall der vier baugleichen Schiffe aus Japan wirft der Staatsanwalt dem Reeder vor, dem Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) zu hohe Preise angegeben zu haben. Die in diesem simulierten Schiffbauvertrag figurierenden Summen seien um 20 Prozent über den Beträgen gewesen, die tatsächlich von der Schweiz nach Japan flossen.

Weiter habe der Mann mit Hilfe eines Darlehensvertrags das BWL glauben lassen, die vier Betreibergesellschaften der genannten Schiffe verfügten über genügend Eigenkapital. Es sei darum gegangen, die Bedingungen der Eidgenossenschaft für Schiffsbürgschaften zu erfüllen.

Dieser Darlehensvertrag sei zwischen der Reederei des Schweizers und einer in Hongkong ansässigen Gesellschaft abgeschlossen worden. Hinter der Hongkonger Firma stehe aber niemand anderes als der Schweizer Reeder.

Durch diese «inszenierten Machenschaften» rund um die Bürgschaftsverträge habe der Mann einen Vermögensvorteil von insgesamt rund 127 Millionen Franken erschlichen und den späteren Käufer eines der Schiffe um 3,3 Millionen Franken betrogen.

Rund um diese angeblichen Täuschungen wirft der Staatsanwalt dem Reeder eine ganze Reihe von Straftaten vor. Es geht um die Vorwürfe des Leistungsbetrugs im Sinn des Bundesgesetzes über die wirtschaftliche Landesversorgung, um angeblichen Betrug, ungetreue Geschäftsbesorgung, Urkundenfälschung, Erschleichen einer falschen Beurkundung und Unterdrückung von Urkunden.

Mehrere Schiffbetreibergesellschaften befanden sich unter dem Holdingdach der Reederei des 66-Jährigen, der Verwaltungsratspräsident und Alleinaktionär dieser Muttergesellschaft war.

Fünftägiger Prozess

Insgesamt fünf Tage hat das Wirtschaftsstrafgericht des Kantons Bern für den Prozess reserviert. Das Urteil soll am 9. Juli verkündet werden. Am ersten Tag kam der Reeder nicht zu Wort. Vielmehr wurden vier Personen befragt, die mit dem im Kanton Bern wohnhaften Angeklagten zu tun hatten.

Zu ihnen gehörte ein ehemaliger Kadermann des Bundesamts für wirtschaftliche Landesversorgung. Er sagte unter anderem, er habe nach seinem Ausscheiden aus dem BWL für den Reeder gearbeitet. Es sei primär die Aufgabe der Banken gewesen, die Herkunft der Eigenmittel der Schiffbetreibergesellschaften zu prüfen, nicht jene des BWL.

Am (morgigen) Dienstag will das Gericht den Reeder befragen. Laut einer Mitteilung der Berner Justizbehörden vom vergangenen Dezember bestreitet dieser die Vorwürfe.

Dauerbrenner in Bundesbern

Die Bundesbürgschaften für die Hochseeschifffahrt beschäftigen seit langer Zeit auch die Politik. Die Geschäftsprüfungskommissionen der Eidgenössischen Räte kritisierten 2018 das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung. Es sei gegenüber dem BWL zu passiv gewesen.

Der Bundesrat räumte in der Folge Fehler bei der Aufsicht und Führung der Bürgschaften für die Schweizer Hochseeschifffahrt ein.

Das Bundesgericht entschied vor Kurzem, dass ein erster Untersuchungsbericht über das Debakel bei der Schweizer Hochseeflotte veröffentlicht werden kann.

Die Bundesbürgschaften für Hochseeschiffe haben historische Gründe. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kam es zu Versorgungsengpässen. Um die Versorgung zu gewährleisten, setzte die Schweiz auf den Weltmeeren Schiffe unter eigener Flagge ein.

Der Bundesrat schätzte das Risiko der Bürgschaften lange Zeit als gering ein. Im Zuge der Finanzkrise von 2008 geriet die Hochseeschifffahrt jedoch weltweit in die Krise. Bürgschaften mussten gezogen und Schiffe verkauft werden.

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