×

Hiller: «Ich zermartere mir nicht den Kopf»

Torhüter Jonas Hiller hätte ein anderes Karriereende verdient gehabt. Dennoch hadert er nicht.

Agentur
sda
27.03.20 - 07:00 Uhr
Eishockey
Jonas Hiller im Tor: ein Bild der Vergangenheit
Jonas Hiller im Tor: ein Bild der Vergangenheit
KEYSTONE/MARCEL BIERI

In dieser Woche hätten in der National League die Playoff-Halbfinals begonnen, welche die Bieler in den letzten beiden Jahren erreicht haben. Auch diesmal wäre mit den Seeländern zu rechnen gewesen. Hiller hätte noch so gerne mit dem vierten persönlichen Meistertitel und dem ersten für den EHCB seit 1983 aufgehört. Stattdessen ging die grossartige Karriere aufgrund der Coronavirus-Pandemie am 12. März abrupt zu Ende.

«Ich hatte mir das sicher anders erträumt», sagte der 38-jährige Appenzeller. «Wir wussten, dass in den Playoffs etwas möglich gewesen wäre. Allerdings muss sehr viel zusammenstimmen, um bis am Schluss dabei zu sein. Ich zermartere mir nicht den Kopf darüber. Klar kann ich mich beklagen. Ich bin jedoch in einer glücklichen Situation, wenn ich sehe, was für Probleme andere im Moment haben.»

Gedanken, die Karriere aufgrund des unbefriedigenden Endes fortzusetzen, hatte Hiller nicht. «Es wäre schon cool, wenn ich nächste Saison aufs Eis stehen und Playoffs spielen könnte. Ich bin aber nicht mehr bereit, den enormen Aufwand auf mich zu nehmen, den es braucht, um dann dem Team helfen zu können. Gleichzeitig weiss ich nicht, ob in einem Jahr sonst etwas ist oder wir überhaupt die Playoffs erreichen.»

Eine weitere Saison hätte sich Hiller eher dann überlegt, wenn er das Potenzial nicht abgerufen hätte. Das war aber nicht der Fall - mit einer Abwehrquote von 91,76 Prozent in der Meisterschaft belegte er in dieser Statistik den 5. Rang. In der Champions Hockey League erreichte er mit den Bielern den Viertelfinal, der hauchdünn gegen den späteren Champion Frölunda Göteborg verloren ging. Im Schweizer Cup bedeutete der Halbfinal Endstation. «Es war über alles gesehen eine sehr erfolgreiche Saison. Das, was ich kontrollieren konnte, setzte ich so um, wie ich das wollte.»

Hiller hatte die Karriere beim SC Herisau begonnen. Mit 18 Jahren wechselte er zum HC Davos, für den er am 19. November 2000 in der höchsten Liga debütierte. Nach dem dritten Meistertitel mit den Bündnern im Jahr 2007 wagte er den Sprung in die beste Liga der Welt zu den Anaheim Ducks. 2011 durfte er am Allstar-Game der NHL teilnehmen. Nach sieben Jahren bei den Kaliforniern unterschrieb er bei den Calgary Flames, für die er zwei Saisons bestritt. 2016 kehrte er nach 437 Partien in der NHL sowie 26 Shutouts in die Schweiz zurück.

Hiller kann als Spätzünder bezeichnet werden, bestritt er doch keine einzige Junioren-WM. «Wenn ich mir überlege, an welchem Punkt ich mit 16 Jahren stand, da war es schon ein Ziel, mal vom Eishockey leben zu können», blickte der Vater zweier Kinder zurück.« Ein spezielles Highlight kann er nicht herauspicken. Als Tiefpunkt bezeichnete er die Probleme mit dem Gleichgewicht, die kurz nach dem Allstar-Game auftraten. Erschwerend kam die Ungewissheit über die Ursache der Probleme dazu. Heute relativiert er das Ganze. »Ich war nie länger verletzt, hatte nie Probleme neben dem Eishockey. Ich bin extrem dankbar dafür, was ich in meiner Karriere alles erreicht habe."

Wenn Hiller nochmals Eishockey spielen würde, dann als Stürmer. «Dann kann ich mal fluchen, wenn der Torhüter einen blöden Treffer kassiert», sagte er mit einem Schmunzeln. Er kann es sich aber durchaus vorstellen, seine immensen Erfahrungen weiterzugeben. Als Goalietrainer? «Sag niemals nie.» Im Moment habe er aber nicht das Gefühl, noch mehr Zeit in der Eishalle verbringen zu wollen wie während der Karriere. Eine Idee ist die Organisation von Keeper-Camps. Er war mehrfach bei solchen Veranstaltungen in Verbier dabei. «Die haben mir für die gesamte Karriere extrem viel gebracht.»

Angst, dass es ihm langweilig wird, hat er nicht. Dafür hat er zu viele Hobbys hat. Sportlich kann er sich vorstellen, mal beim Ruderverein anzufragen. Ausserdem ist er Hauptaktionär der Schweizer Marke Gin Kiteboarding, bei der er nun mehr als geplant involviert ist. Dazu geniesst er die Zeit mit der Familie. Ein Thema ist eine Reise nach Australien im Herbst, falls es die Situation dannzumal erlaubt. Der Reiz, herausgefordert zu werden, sich ans Limit zu pushen, ein gemeinsames Ziel zu haben, wird ihm dennoch fehlen. «In der Privatwirtschaft arbeitest du auch als Team, aber es ist nicht dasselbe.»

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Eishockey MEHR