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Murat Yakins Traumtor gegen das beste Team

Ajax Amsterdam gilt in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahren neben Juventus Turin als das beste Team Europas. Die Grasshoppers siegen in Amsterdam 1996 in der Champions League trotzdem 1:0.

Agentur
sda
28.05.20 - 05:15 Uhr
Fussball

Fast 60 Tore erzielte Murat Yakin in seiner Karriere als Spieler. Der eigentliche Defensivspezialist traf in der Nationalliga A, in der Super League, in der türkischen Süper Lig, in der Bundesliga, im Schweizer Cup, in der Champions League und in der WM-Qualifikation. Er traf für Basel, die Grasshoppers, Fenerbahce Istanbul, den VfB Stuttgart und auch das Schweizer Nationalteam. Nur wenige seiner Tore sind der breiten Masse noch heute in Erinnerung, eines aber wird es womöglich für immer bleiben: Sein Freistosstor mit GC in Amsterdam.

Die Grasshoppers waren an jenem Mittwoch, dem 25. September 1996, ohne ihren angeschlagenen Starstürmer Kubilay Türkyilmaz und ohne Aussicht auf ein Erfolgserlebnis zum Champions-League-Gruppenduell mit der europäischen Übermannschaft angetreten, dem Champions League-Finalisten der letzten zwei Jahre. Am Vortag der Partie hatte der «Tagesanzeiger» über den GC-Gegner voller Hochachtung geschrieben: «Ajax, das grosse, das mächtige und für alle so vorbildliche Ajax, die bis vor kurzem vielleicht beste Mannschaft der Welt.» Dass GC in der Saison zuvor gegen Ajax in der Königsklasse ein 0:0 erzielt hatte, änderte wenig an den Erwartungen von Journalisten und Experten, wie die Partie abzulaufen hatte.

GC wollte mit «resultatorientiertem Fussball» gegen die grosse Klasse des Teams um Marc Overmars, Jari Litmanen und Frank und Ronald de Boer zumindest dagegenhalten, so hatte es Trainer Christian Gross formuliert. Eine Stunde lang tat GC genau das, hielt dagegen, kämpfte und hatte Glück. Zweimal trafen die Ajax-Stars mit ihren Abschlüssen nur den Pfosten, einmal gar das leere Tor nicht. Es folgte der Moment der Grasshoppers, geschuldet der Kühnheit von Murat Yakin, einen Freistoss aus fast 40 Metern auf ein Tor zu schiessen - bewacht von Edwin van der Sar, einem Torwart vom Format, das selbst gestandenen Stürmern im Duell Eins-gegen-Eins das Leben aus den Beinen zu saugen vermochte. Ein leichter Kick von Antonio Esposito, der mit voller Wucht in den Ball springende Yakin, Innenpfosten, Traumtor.

Ohne die Chuzpe des Zürcher Verteidigers wäre dies so nicht möglich gewesen, ebenso hätte aber der von der Seite heranstürmende Ronald de Boer die GC-Sternstunde verhindern können. De Boer, selbst ein passabler Freistossschütze, stemmte sich aber nicht mit letzter Entschlossenheit gegen den Abschluss, bremste seinen Lauf sogar kurz ab, weil wohl auch er, wie der Grossteil der 48'000 Beobachter in der Amsterdam-Arena, der Aktion keine Erfolgschancen zugestand. Eine Szene, die für das ganze Spiel stand: GC kam zum Zug, weil Ajax es zuliess.

Noch Stunden nach seinem goldenen Treffer, der GC nach zwei Europacup-Spieltagen an die Spitze von Gruppe A führte, wird Torschütze Yakin immer wieder zur Szene des Spiels befragt. Als seine Teamkollegen den Erfolg im Hotel beim Galadinner längst in Anzug und Krawatte feierten, sitzt der damals 22-Jährige in der Hotellobby auf einer Materialkiste und kritzelt Autogramm um Autogramm für angerückte Fans. Dass sich der niederländische Topklub letztlich als Gruppensieger souverän für die K.o.-Phase qualifizierte, während die Grasshoppers als Gruppen-Dritter ausschieden, war an diesem Abend weit weg. An der historischen Komponente des GC-Sieges und des Yakin-Tores ändert dies ohnehin wenig.

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