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Highlight für Remo Freuler: Mit Atalanta gegen Real Madrid

Kaum ein anderer Schweizer ist im Spitzensegment seit Jahren derart unumstritten wie Remo Freuler. Mit Atalanta Bergamo spielt der Zürcher am Mittwoch in der Champions League gegen Real Madrid.

Agentur
sda
22.02.21 - 12:00 Uhr
Fussball
Remo Freuler geht mit Atlanta Bergamo hoch hinaus - hier im Cup-Halbfinal gegen Napoli, und am Mittwoch in der Champions League gegen Real Madrid?
Remo Freuler geht mit Atlanta Bergamo hoch hinaus - hier im Cup-Halbfinal gegen Napoli, und am Mittwoch in der Champions League gegen Real Madrid?
KEYSTONE/AP/Alessandro Garofalo

Der 28-jährige Mittelfeldspieler Remo Freuler ist an der erweiterten Serie-A-Spitze angekommen. Sein Marktwert hat die 23-Millionen-Marke überschritten. Dass der Vize-Captain des italienischen Cup-Finalisten im EM-Jahr im Fokus ambitionierter Organisationen steht, ist keine Überraschung.

Neben dem Rasen hat sich die Lage im früheren Herd der Corona-Pandemie beruhigt. In der Lombardei sind die Cafés tagsüber wieder geöffnet. «Es hat sich einiges normalisiert, vergessen werden wir die Krise aber nie mehr», meldet Freuler aus Norditalien.

Seit Anfang Jahr lebt er fast häufiger im Trainingszentrum als in der eigenen Wohnung. Atalanta ist an allen Wettbewerbsfronten aktiv. In einer ruhigen Minute und wenige Tage vor dem Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League gegen Real Madrid vom Mittwoch nimmt sich Freuler Zeit, mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA über eine weitere beeindruckende Kampagne zu sprechen.

Atalanta hat Grosses vor.

«Wir haben zumindest viele Optionen und sind weiterhin in allen Wettbewerben dabei. In der Coppa Italia sind wir Finalist gegen Juve. Das war bei uns ein grosses Ziel.»

Gegen Lazio Rom endete das letzte Endspiel auf bittere Weise.

«Das ist Geschichte. Wir haben uns innerhalb von drei Jahren zum zweiten Mal für einen Final qualifiziert. Würden wir den Titel holen, könnten wir Vereinsgeschichte schreiben. Das wäre ganz hoch einzustufen.»

In der Liga gab es das eine oder andere kleine Problem – warum?

«Die vielen Spiele innerhalb kürzester Zeit – das ist schon eine neue Dimension. Seit dem 3. Januar haben wir fast alle drei, vier Tage gespielt. Das setzte uns etwas zu; gegen tiefer eingeschätzte Gegner büssten wir einige Punkte ein. Das grosse Bild hingegen stimmt, wir sind zufrieden.»

Zum grossen Bild gehören die formidablen Auftritte in der Champions League.

«Wir haben gegen die grossen Teams Chancen. Zunächst bezahlten wir Lehrgeld, dann aber realisierten wir, was alles zu schaffen ist. Real Madrid ist am Mittwoch der grosse Favorit. Aber wir müssen uns nirgends verstecken. Wir hatten bisher kein Glück, wir haben uns alles verdient.»

Das 2:0 in Liverpool bestätigt Ihren Eindruck.

«Das ist richtig, aber wir haben natürlich nicht vergessen, was im Heimspiel passiert ist. Wenn wir unser Potenzial nicht ausschöpfen, kann es gegen eine Mannschaft wie Liverpool sofort in die andere Richtung gehen, und man kassiert fünf Treffer.»

Was löst der Name Real Madrid aus?

«Real ist Real. Wenn ich mir ein solches Duell vor ein paar Jahren ausgemalt hätte, wäre ich vermutlich als Träumer betitelt worden. Damals war ein Gegner dieser Preisklasse für mich unvorstellbar gewesen – ausser ich wäre in die spanische Liga gewechselt. Dass wir gegen sie nun in einem grossen Spiel antreten können, ist eine traumhafte Konstellation. Darauf haben wir alle, der ganze Verein, die Stadt gewartet. Das hätte sich hier bis vor Kurzem niemand vorstellen können. Und nun treten wir mit breiter Brust und grossem Selbstvertrauen an.»

Atalanta hat sich in den letzten vier Jahren an der erweiterten Spitze der Serie A festgesetzt. Der erwartete Ausverkauf ist ausgeblieben. Wie werten Sie die Entwicklung?

«Der Verein ist in Italien mittlerweile hoch angesehen. Wir sind ein Top-Team, die Experten haben uns neben den Mailändern und Römern auf der Rechnung. Atalanta ist eine fixe Grösse. Zu wissen, dass ich dazu etwas Wichtiges beigetragen habe, ist natürlich schön. Wir sind auch in Europa nicht mehr der krasse Aussenseiter, wir haben uns diesen Respekt, dieses Standing erarbeitet und verdient.»

Ihr persönlicher Marktwert ist ebenfalls exponentiell gestiegen. Sie tragen vereinzelt die Captain-Binde, ihr Wort hat Gewicht.

«Ich bin Vize-Captain – das ist für mich eine Ehre. Und es erfüllt mich mit Stolz, jenen Verein, der mich gross machte, als Captain auf das Feld führen zu dürfen. Es ist wunderschön, dass ich bei einem erfolgreichen Klub eine solche Position einnehmen darf. In den letzten fünf Jahren habe ich eine Menge investiert. Die Verantwortlichen in Bergamo kennen und schätzen meine Berufseinstellung, sie wissen, mit wie viel Herzblut ich täglich arbeite.»

Einer schätzt Sie besonders: Gian Piero Gasperini. Was verbindet Sie mit Ihrem Coach?

«Er ist eine grosse Persönlichkeit. Er hat hohe Vorgaben und Ansprüche. Jeder Einzelne muss zuerst einmal den Nachweis erbringen, seinen Vorstellungen gerecht zu werden. Man muss ihm die Sicherheit bieten, in den grossen und wichtigen Momenten bereit zu sein. Er weiss genau, was er an mir hat, dass er immer auf mich zählen kann.»

Bleibt der taktische Baumeister an Board? Wird es gelingen, die umworbenen Schlüsselfiguren zu halten?

«Eine absolute Gewissheit hat in diesem Geschäft keiner. So wie ich das Management von Atalanta kennen gelernt habe, werden die Entscheidungsträger einen guten Mittelweg zu finden. Der Kern der Gruppe dürfte zusammenbleiben.»

Was haben Sie vor?

«Mein Vertrag läuft weiter. Corona schränkt alle ein. Im Winter gab es kaum Transfers. Die Pandemie hat wirtschaftlich tiefe Furchen hinterlassen. In meinem Fall müsste ein Top-Angebot kommen, um einen Wechsel überhaupt in Erwägung zu ziehen. Ich liebe diese Stadt, ich fühle mich rundum wohl, mein Klub ist ambitioniert. Ich kenne jede Ecke, es fühlt sich wie mein zweites Zuhause an.»

Haben die schlimmen Corona-Bilder und schwierigen Zustände im vergangenen Frühling in Bergamo etwas Grundlegendes verändert?

«Was Bergamo durchgemacht hat, werde wir alle nie mehr vergessen. Die tragischen Geschichten haben sich ins Bewusstsein eingebrannt. Und der Respekt vor diesem Virus ist geblieben. Jeder hält sich strikt an die Vorgaben, jeder ist solidarisch, jeder trägt die Maske – ausnahmslos jeder.»

Und irgendwann kehrt die Hoffnung vielleicht doch wieder zurück – und mit den Fans die Seele im Stadion?

«Darauf warten wir alle sehnsüchtig. Mir fehlt das Publikum. Ich habe letzthin auf dem Instagram-Kanal von Atalanta Aufnahmen eines Spiels gegen Dortmund gesehen – das löst sofort Emotionen aus. Auf diese Momente fiebern wir alle hin.»

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