×

Das Glück auf Umwegen gefunden

Jacques Cornu bringt es als Motorrad-Rennfahrer zum Langstrecken-Weltmeister und Grand-Prix-Gewinner. Am 24. Juli 1988 steht er mit dem Sieg in Frankreich im Zenit seiner Karriere.

Agentur
sda
24.07.20 - 04:00 Uhr
Mehr Sport

Die Faszination Motorrad hat den heute 67-jährigen Jacques Cornu nie losgelassen. Nach dem Ende seiner Aktiv-Karriere hat er eine Weiterbildungs- und Perfektionierungsschule gegründet zum Zweck, die Sicherheit der Motorradfahrer im Strassenverkehr zu verbessern. Dazu organisiert er seit fast zwei Jahrzehnten Ferienreisen nach Namibia.2

Selbstverständlich stehen während des Aufenthalts im Land im Südwesten Afrikas Motorrad-Touren im Mittelpunkt. Cornu ist nach wie vor voller Tatendrang, trotz zwischenzeitlicher schwerer Erkrankung. Die Diagnose Schilddrüsenkrebs vor zehn Jahren hat vieles relativiert. Cornu hat sich dem Schicksal nicht hingeben wollen - und seinen allerwichtigsten Kampf gewonnen.

Motorrad statt Auto

Einmal Töfffahrer, immer Töfffahrer. Die Vermutung liegt nahe, dass Cornus Weg zum Rennsport vorgezeichnet war, dass auch bei ihm sich die Schwärmerei für Motorräder im Lauf der Zeit zur Leidenschaft entwickelt hat. Das übliche Schema für einen Besessenen halt. Doch dem war bei Cornu nicht so. Die Liebe zum Motorrad war nicht von Anfang an da. Sie wurde sozusagen aus der finanziellen Not geboren. Weil für den Teenager ein Auto unerschwinglich war, kaufte er sich ein Motorrad - und fand zunehmend Spass an seinem Vehikel. Mit jedem zurückgelegten Meter wuchs die Passion und reifte der Entscheid, das Motorradfahren wettkampfmässig zu betreiben.

Gedacht, getan. Cornu krempelte sein Leben um. Er glaubte, mit seinem Enthusiasmus Berge versetzen zu können. Er träumte vom ganz Grossen und wollte sprichwörtlich die Grenzen überschreiten. Einsätze in nationalen Rennserien waren ihm nicht genug, er strebte mit allen Mitteln nach Einsätzen auf dem globalen Parkett. Diese Mittel allerdings, vor allem im finanziellen Bereich, waren lange Zeit beschränkt oder gar nicht vorhanden. Trotz Titelgewinnen in der Schweizer Meisterschaft in den Siebzigerjahren blieben die Türen zur Strassen-Weltmeisterschaft vorerst zu. Absagen waren für Cornu wie Nackenschläge. Doch abbringen von seinen Plänen liess er sich nicht.

Cornus Wille und Hartnäckigkeit und der Kampf um Startplätze sollten fruchten. Talentproben mit minderwertigem Material hatte er genügend abgegeben. 1980 bestritt er seine erste komplette Saison in der Strassen-WM, den ersten Vertrag als Werkfahrer unterzeichnete er allerdings für die Langstrecken-WM. Die Vereinbarung brachte die besondere Konstellation mit sich, dass Cornu mit Motorrädern zweier Marken ausrückte - in der Strassen-WM mit einer Yamaha, in der Langstrecken-WM mit einer Kawasaki.

In den Distanzrennen stellte sich der Erfolg umgehend ein. Cornu wurde 1982 Weltmeister. Zumindest sportlich war er endlich im anvisierten Kreis angekommen. Die Hoffnung, mit dem Titelgewinn seine Position bei der Suche nach zahlungskräftigen Partnern stärken zu können, erwies sich aber als Trugschluss.

Ein Werkvertrag, drei Grand-Prix-Siege

Cornu blieb vorerst ein Vielbeschäftigter. In der Strassen-WM trat er in seinen ersten drei Saisons in der Viertelliter- als auch in der 350-Kubikzentimeter-Klasse an, dazu war er weiterhin in der Langstrecken-WM engagiert. Den nächsten Schritt zur Etablierung in der Elite tat Cornu 1987 mit dem Aufstieg zum Werkfahrer von Honda in der Kategorie bis 250 Kubikzentimeter Hubraum. Sein langjähriger Weggefährte, der Westschweizer Unternehmer Michel Métraux, hatte ihm den Eintritt in den erlauchten Kreis ermöglicht.

Die zweite und dritte Saison im offiziellen Sold von Honda stehen für die erfolgreichste Phase Cornus in der Strassen-WM. Dreimal, 1988 in den Grands Prix von Österreich und Frankreich und 1989 im Grossen Preis von Belgien, wurde er als Erster abgewinkt. In den beiden WM-Schlussklassementen wurde er Dritter. Das Ziel für 1990 war damit klar: Der Titel musste her. Doch die Realität vermochte mit den Ansprüchen nie und nimmer Schritt zu halten. Ein (weiterer) schwerer Sturz im Training für den Grand Prix der USA in Laguna Seca, die zweite Station im Kalender, machte Cornu einen dicken Strich durch die Rechnung. Knochenrisse im linken Schlüsselbein und Schulterblatt zwangen ihn zu einer langen Pause, während der er vier Rennen verpasste. Der Traum vom Titelgewinn war dahin.

Das an Enttäuschungen reiche Jahr hatte Folgen. Die Verantwortlichen von Honda beendeten die Zusammenarbeit mit Cornu. Dazu blieben auch Verhandlungen mit den Entscheidungsträgern von Suzuki erfolglos. Die Gespräche scheiterten auch aus geschäftspolitischen Gründen. Die Japaner betrachteten die Schweiz als zu kleinen Markt, um eine Investition in Millionenhöhe in einen Fahrer unseres Landes rechtfertigen zu können.

Cornu blieb nur der Rücktritt. Der Wunsch, seine Karriere um eine weitere Saison zu verlängern, blieb unerfüllt. Er trug das vorzeitige Ende mit Fassung. «Ich bin nicht enttäuscht. Die Jahre gehen auch an mir nicht spurlos vorbei. Meine Zeit ist gekommen, um den Jungen Platz zu machen.»

Es war Zeit für Veränderungen. Cornu schaffte den Sprung zurück in die zivile Berufswelt ohne Probleme. Logisch, wenn sich auch im neuen Leben (fast) alles um das Motorrad dreht.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Mehr Sport MEHR