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Vier junge Kronprinzen auf einer Linie

Vier junge Schwinger heben sich gemäss den Resultaten der letzten Monate und Jahre von der Konkurrenz ab und sind mit ihren überragenden Leistungen untereinander kaum zu unterscheiden: Eine Konstellation wie vor Zug gab es an keinem Eidgenössischen der Nachkriegszeit.

Südostschweiz
22.08.19 - 04:30 Uhr
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Samuel Giger, Joel Wicki, Armon Orlik und Pirmin Reichmuth (von links) sind heisse Anwärter auf den Königstitel.
Samuel Giger, Joel Wicki, Armon Orlik und Pirmin Reichmuth (von links) sind heisse Anwärter auf den Königstitel.
KEYSTONE

21, 22, 23, 24. Es sind der Reihe nach die Altersangaben der vier Gladiatoren Samuel Giger, Joel Wicki, Pirmin Reichmuth und Armon Orlik. Auch die rund zehn Jahre älteren Christian Stucki, der Unspunnensieger, und Matthias Glarner, der regierende Schwingerkönig, werden gelegentlich als Favoriten genannt, aber ihre Namen fallen nicht annähernd so häufig wie die der vier Youngsters.

Vor der Saison waren die jungen ganz Bösen zu dritt. Aber Pirmin Reichmuth gesellte sich schon ab Mai zu ihnen, indem er in kurzer Zeit mit überragenden Leistungen drei Kantonalfeste im eigenen Verbandsgebiet gewann. Wer noch Zweifel hatte, sah diese am 28. Juli ausgeräumt, als der baumlange Zuger aus Cham mit sechs Siegen das Bergkranzfest auf dem Brünig gewann und dabei einen Berner um den andern ins Sägemehl bettete.

Reichmuth war als Blackbox in die Saison gestartet. Man wusste zwar um sein immenses Talent und seine körperlichen Vorzüge - er ist mit 198 cm exakt auf Stuckis Breitengrad -, aber man wusste nicht, wozu er nach drei Kreuzbandrissen überhaupt noch fähig sein würde. Jetzt weiss man, dass ihm alles zuzutrauen ist. Und er sorgt dafür, dass gleich vier Junge in der Favoritennennung auf einer Linie aufgereiht sind. Ein Fotofinish, noch bevor es losgeht.

Für Samuel Giger, der als damals 18-Jähriger schon Zweiter am Eidgenössischen 2016 in Estavayer war, gestaltete sich die laufende Saison schwierig. Nach einer Anfang Mai zugezogenen Schulterverletzung setzte der Thurgauer zwei Monate aus. Die ersten Ergebnisse nach dem Comeback waren nicht berauschend. Später meisterte er jedoch auf dem Weissenstein ein starkes Feld mit sechs Siegen und fünf Maximalnoten. Giger verkörpert wie Reichmuth den grossgewachsenen Modellathleten.

Orlik der Erfolgreichste

Joel Wicki ist 10 respektive 15 Zentimeter kleiner als Giger und Reichmuth, aber ein Schwingerkönig muss keine körperlichen Limiten einhalten. Das Manko in der Grösse macht der Sörenberger mit einer ungeheuren Kraft (und Schnellkraft) im ganzen Oberkörper wett. Und als etwas kleinerem Schwinger kommt ihm der tiefer liegende Schwerpunkt zupass. Heuer spielte er seine gute Form beispielsweise mit sechs Siegen auf dem Stoos aus.

Armon Orlik, der Bündner aus Maienfeld, ist mit fünf Kranzfestsiegen der Erfolgreichste der Saison. Am Nid- und Obwaldner Fest siegte er als Gast, bevor er in Hallau das eigene Teilverbandsfest gewann. In Estavayer war er schon nahe an der Krönung. Nur Matthias Glarner im Schlussgang verhinderte sie.

Wichtige Qualitäten verbinden die vier Topfavoriten: konsequente Professionalität, technische Vielfalt nahe der Perfektion und Ehrgeiz. Der Ehrgeiz dürfte bei Wicki und Orlik am grössten sein.

Und wer noch?

Auch wenn sich die vier Jungen vor dem Eidgenössischen abheben, werden die übrigen 272 Schwinger nicht chancenlos sein. Christian Stucki, der Populärste, könnte mit seiner unvergleichlichen Wucht und seiner immer besser gewordenen technischen Variabilität und trotz seiner 34 Jahre auch mit einem Wicki oder einem Giger kurzen Prozess machen - wenn er in Bestform schwingt. Aber hier ist das Fragezeichen zu setzen. Wie konnte Stucki die wenigen Wochen nach seiner erst Ende Juli ausgeheilten Knieverletzung nutzen? Am Berner Kantonalfest am 11. August war er noch nicht auf seinem besten Niveau.

Dem Meiringer Matthias Glarner hätte noch vor wenigen Wochen kaum jemand reelle Chancen auf einen weiteren Königstitel eingeräumt. Die Rückkehr nach dem fürchterlichen Sturz von der Gondel im Juni 2017 war erwartungsgemäss mühselig. Er musste sich 2018 erneut den linken Fuss operieren lassen. Überzeugende Resultate an den wenigen Festen, die er bestritt, waren selten. Aber just am letzten Fest vor dem Eidgenössischen glückte ihm ein Quantensprung. Am Berner Kantonalen trumpfte er gegen starke Gegner beinahe so gross auf wie vor drei Jahren. Falls er sich in den verbleibenden zwei Wochen weiter verbessert hat, werden die bösen Jungen in Zug auf der Hut sein müssen. (sda/so)

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