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Martin Hug: «Bergbahnen werden nicht zum Treiber der Pandemie!»

In der Infostunde vom Mittwoch sprach RSO-Redaktor Fabio Theus mit Martin Hug, dem Präsident des Verbandes Bergbahnen Graubünden. Hug nimmt unter anderem Stellung zum Entscheid, die Skigebiete in Graubünden offen zu halten.

Südostschweiz
24.12.20 - 15:45 Uhr
Tourismus
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Martin Hug, Präsident der Bergbahnen Graubünden, zählt auf die Vernunft der Schneesportler.
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Herr Hug, die Skigebiete in Graubünden bleiben vorerst offen. In anderen Kantonen sind die Skigebiete geschlossen. Kommt nun die ganze Schweiz nach Graubünden?

Martin Hug: Das glaube ich nicht, nein. Und zwar aus verschiedenen Gründen. Einerseits wären da die Empfehlungen vom Bund, andererseits auch die Umsetzung der verschärften Massnahmen. Ausserdem gaben bei einer Umfrage des SRF von Anfang Monat nur ein Drittel der Befragten an, dass sie über die Festtage in ein Skigebiet fahren werden. Das würde uns entgegenkommen. Wir haben mit Graubünden Ferien und den Kanton eine Kommunikationskampagne gestartet, um ganz bewusst jene Gäste, die für einen Tag von anderen Gebieten zu uns ausweichen möchten, von ihrem Vorhaben abzubringen.

Umfragen sind das Eine, die Realität ist meist anders. Ich sehe die Blechlawine aus dem Unterland bereits heranrollen.

Das mag sein. Ich sehe vielleicht auch eine Blechlawine, aber nicht wegen den Skigebieten. Wir haben die Be- und Einschränkungen aktiv kommuniziert. Es ist wichtig, dass die Leute realisieren, dass sie eigentlich gar nicht erst daheim los fahren sollen. Es sei denn, sie haben bereits ein gültiges Ticket oder eine Reservation für einen bestimmten Tag. Aber genau das ist das Problem: die uneingeschränkte Mobilität. Ob die Bergbahnen offen oder geschlossen sind, spielt keine Rolle. Grundsätzlich erwarte ich keinen Ansturm. Sollte trotzdem einer kommen, sind wir mit unseren Schutzkonzepten gut vorbereitet. Ich sage es nochmals: wir werden den Verkauf von Tickets an der Tageskasse effektiv beschränken.

Daran würde ich gerne anknüpfen. Und zwar steht in der aktuellen Medienmitteilung, dass man die Gästeanzahl um einen Drittel reduzieren möchte, im Vergleich mit den Spitzentagen der letzten Saison. Will man damit das Risiko umgehen, dass Graubünden zu einem Corona-Hotspot wird?

Wir müssen das Ganze sachlich betrachten und nicht polemisch. Wir alle haben die Bilder von Ischgl noch im Kopf. Blicken wir zurück auf den vergangenen Februar und März. Wir hatten praktisch keine Schutzkonzepte, keine Massnahmen und keine wirklichen Kenntnisse vom Virus. Wir hatten keine breite Testung. Ausserdem hat der Bundesrat damals noch behauptet, dass Mund-Nasen-Bedeckungen wirkungslos seien. Wenn man sich das zu Gemüte führt und hinzuzieht, dass in Ischgl die Ansteckungen besonders beim Après-Ski passiert sind, und nicht auf der Piste, dann sieht das schon anders aus. Wir machen kein Après-Ski, wir haben Schutzkonzepte, Masken und ein Alkoholverbot. Die Bergbahnen werden somit sicher nicht zum Treiber der Pandemie.

Das Motto ist: Kauft eure Tickets im Voraus online. Bei den grossen Skigebieten mag das kein Problem sein. Die sind dafür ausgerüstet. Was ist mit den kleinen Skigebieten?

80 Prozent von den Gästen verteilen sich auf die grossen Skigebiete. Diese haben jeweils eine eigene Online-Lösung gefunden. 15 Prozent der Gäste besuchen mittlere Skigebiete. Jene arbeiten mit Ticketcorner oder anderen Anbietern zusammen. Dann gibt es noch die fünf Prozent, die kleine Skigebiete ansteuern. Dort muss uns einfach eine pragmatische Lösung erlaubt sein.

Und diese pragmatische Lösung wäre?

Die kleinen Skigebiete sollen die Zutritte mit ihren Systemen messen, sofern möglich. Wenn sie sehen, dass sie an ihre Kapazitätsgrenze stossen, müssen sie die «Schleuse» schliessen.

Die Gäste aus dem Unterland kommen an, die Restaurants sind geschlossen. Also stürmen alle erstmal in die Läden. Beispiel Lenzerheide. Dort hat es nur einen kleinen Laden. Wie sollen Verkaufsstellen wie diese einen solchen Ansturm handeln?

Ich denke nicht, dass Gäste anreisen ohne gültiges Ticket, die hier die Läden stürmen werden. Nicht nach unserer Kommunikation, die wir mit Graubünden Ferien und dem Kanton aufgezogen haben. Das passiert höchstens an Schlechtwettertagen, wenn die Nachfrage entsprechend klein ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Schneesportler nicht mitdenken. Man weiss ja, dass in der ganzen Schweiz die Restaurants geschlossen sind.

Sie waren bestimmt in die Entscheidung der Bündner Regierung, die Skigebiete offen zu halten, involviert. Wie stark wurde dabei Ihre Stimme gewichtet?

Ich war nicht in die Entscheidung involviert, nein. Der Vorstand der Bergbahnen war allerdings seit Ausbruch der Pandemie in regelmässigem Kontakt mit Marcus Caduff. Wir versuchten stets vorauszudenken und akzeptable Lösungen zu finden.

Haben Sie sich immer für die Offenhaltung der Skigebiete im Kanton ausgesprochen?

Ja, das habe ich eigentlich immer getan. Aber immer im Bewusstsein der Verantwortung, die damit einhergeht. Wir haben auch schon früh mit dem Gesundheitsamt gewisse Themen diskutiert. Wir sind uns bewusst, dass besonders wenn man auf die Belegung der Intensivpflegeplätze in den Spitälern schaut, das Ganze eine Gratwanderung ist. Wir wissen, dass die Regierung diese Bewilligung jeden Tag zurückziehen könnte.

Das heisst also, dass wenn es zu viele Verletzte durch Skiunfälle gibt, dies eine Schliessung der Skigebiete bedeutet?

Das kann sein. Es ist aber nicht unbedingt so, dass Sportunfälle der Treiber in dieser Angelegenheit sind. Sondern allein die Tatsache, dass wir 80'000 Zweitwohnungen haben. Wenn nur schon zwei Personen pro Haushalt über die Festtage nach Graubünden kommen, dann sind das 160'000 Personen. Graubünden hat rund 180'000 Einwohner. Das würde also eine temporäre Verdoppelung der Einwohner bedeuten. Dann kann sich die Auslastungssituation in den Spitälern schlagartig ändern.

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