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Ein «Wetterschmöcker» – aber nicht so wie die Muotathaler

Fridolin Kundert aus Rüti ist Biobauer mit Leib und Seele. Er arbeitet mit der Natur zusammen und deutet ihre Zeichen bezüglich des Wetters. Dennoch wirft er ab und zu einen Zigarettenstummel auf den Vorplatz seines Stalls.

Paul
Hösli
12.10.19 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Die Zeichen der Natur deuten: Als Biobauer ist für Fridli Kundert und seine Frau Sonja das Wetter ein wichtiger Bestandteil der Arbeit.
Die Zeichen der Natur deuten: Als Biobauer ist für Fridli Kundert und seine Frau Sonja das Wetter ein wichtiger Bestandteil der Arbeit.
SASI SUBRAMANIAM

Fridolin Kundert sitzt vor seinem Stall in Rüti, mit Ausblick auf das herrliche Bergpanorama. Die Sonne strahlt und der 53-Jährige, den alle nur Fridli nennen, erzählt Anekdoten aus seinem Leben. Eigentlich wäre der Termin auf 13.30 Uhr angesetzt gewesen, aber dieser verschob sich um eine halbe Stunde. «Ich war im Altersheim Lin- thal und habe für die Bewohner Fenz gekocht», entschuldigt sich Kundert. Das Rezept hat er vor 15 Jahren von einem Älpler bekommen. «Seitdem mache ich es regelmässig, auch für Kollegen. Es ist nicht so einfach, wie es scheint. Man braucht schon ein Gspüri dafür.»

Seit vier Jahren legt er sich einmal im Jahr im Altersheim die Kochschürze um. Fenzkochen ist eines seiner vielen Hobbys, wie das Pistolenschiessen oder das Musizieren.

Zusammen mit der Familie

In erster Linie ist der Mann mit dem Rauschebart und den Chüeli an den Ohren Biobauer, mit Leib und Seele. «Der Sommer war sehr gut, was das Futter für die Kühe anbelangt», erzählt er und strahlt mit der Sonne um die Wette. «Dafür war die Obsternte im letzten Jahr besser. Die Äpfel waren riesig und süss, das ergab einen schmackhaften Most. Rund 2500 Liter haben wir produziert. Alleine 330 Liter davon haben wir über den Volg in Linthal verkauft. Die Leute haben bereits nachgefragt, ob es noch mehr gibt.»

Kundert betreibt den Hof im Tschingelgut in Rüti zusammen mit seiner Familie. Übernommen hat er ihn vor über 30 Jahren von seinem Grossvater. 1999 hatte er grosses Glück, als 100 000 Kubikmeter Geröll ins Tal donnerten. Haarscharf an seinem Hof vorbei.

Die Zeichen der Natur deuten

Biobauer sein heisst, im Einklang mit der Natur zu leben und zu arbeiten. Ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und Kunstdünger zu verwenden. Man müsse möglichst mit geschlossenen Kreisläufen wirtschaften. «Der Mensch macht sich sonst selber kaputt. Denn es geht auch ganz gut ohne Chemikalien», sagt Fridolin Kundert. Dazu gehört auch, die Zeichen der Natur bezüglich des Wetters richtig zu deuten. «Wenn die Kühe zu husten beginnen, dann kommt der Schnee», weiss Kundert. «Oder wenn im Frühling ein Gewitter über den Ortstock zieht, dann gibts genug Regen im Sommer.»

Nein, er sei kein «Wetterschmöcker», obwohl er Mitglied bei den Muotathaler «Wetterschmöckern» ist. «Das Thema Wetter interessiert mich einfach, da es für meine Arbeit elementar ist.» So ist er auch vom Klimawandel überzeugt. «Heutzutage kann ich die Kühe früher rauslassen, als etwa vor zehn Jahren. Das ist sicher ein Zeichen.»

Die klimatischen Bedingungen sind auch für seinen Winterjob wichtig. Er arbeitet als Skilehrer in Braunwald. «Obwohl ich zu Beginn nicht wirklich gut Ski fahren konnte», sagt er mit einem Augenzwinkern. Die kommende wird nun seine 24. Saison. «Ich bin mir sicher, es gibt schneemässig einen tollen Winter.»

Sechs Wochen lang nur von Rohmilch ernährt

«Ich habe die beste Milch der Welt», sagt Kundert mit voller Überzeugung – und vielleicht einer Prise Schalk. Sie sei auf jeden Fall sehr gesund, «am besten direkt von der Kuh in einen Becher. Dann hat sie Körpertemperatur und sie ist am süssesten. Das liebe ich.» So sehr, dass er sich sechs Wochen lang ausschliesslich von Rohmilch ernährte. «Ich habe diese Kur gemacht, um meinem Blutzucker zu senken, da ich Diabetes habe. Zudem kann man damit Gewicht verlieren», zeigt er auf seinen Bauch und lacht. Um ernsthafter fortzufahren: «Mit Ausnahme von Magnesium und Vitamin D hat Rohmilch alles drin, was der Mensch benötigt. Vitamin D kann man von da oben holen», sagt er und zeigt auf die Sonne. Vier bis sechs Liter habe er am Tag getrunken.

Als sein Arzt das erfuhr, habe er sich gewundert.«Er meinte, die Menge sei zu gross. Ich würde Nierensteine bekommen.» Fridli Kundert ging in seine Praxis – und überzeugte den Doktor vom Gegenteil. «Ich war kerngesund.» So gesund, dass laut Kundert auch laktoseintolerante Menschen seine Milch bedenkenlos trinken können. «Eine Frau im Dorf erzählte mir von ihrer Laktoseintoleranz. Sie konnte meine Milch aber problemlos geniessen, am nächsten Tag stand der leere Milchkessel vor meinen Stall. Sie wollte Nachschub.»

Die Natur spielt in Kunderts Leben eine Hauptrolle. Dennoch schmeisst der Raucher ab und zu einen Zigarettenstummel auf den Vorplatz seines Stalles – ohne schlechtes Gewissen. «Es gibt Vögel, die picken die Stummel auf, um unter anderem ihr Nest damit zu bauen. Das Nikotin hält Parasiten ab.»Dies habe er einmal gelesen. Er lese gerne und viel, erzählt Fridli Kundert. «Sachbücher oder auch Biografien. Wie von einem Bauer, der bei einem Arbeitsunfall beide Arme verloren hat, aber dennoch als Landwirt weiterarbeitet.» Das hat dem Tausendsassa imponiert.

Günstiges «Eidgenössisches»

Dem Landwirt sind Werte und Traditionen wichtig. So steht am Eingang der Geska in Glarus ein lebensgrosses Porträt von ihm, in Tracht natürlich. «Ich leide zudem am Helfersyndrom, ich kann einfach nicht Nein sagen.» So hat er in diesem Jahr am Eidgenössischen Schwingfest in Zug in einem Festzelt auf dem Büchel, eine Art Naturtrompete, gespielt. «Das hat einem Mitarbeiter der Marke Aebi so gut gefallen, dass er mich gefragt hat, ob ich am Sonntag gleich noch mal spiele», erzählt der leidenschaftliche Alphorn- und Büchelspieler und nimmt einen Zug von seiner Zigarette. Den Stummel legt er beiseite und entsorgt ihn später.

Neun Franken habe Fridli Kundert für das Wochenende in Zug investiert. «Die VIP-Tickets und das Bahnbillett bekam ich von Aebi, da ich ein guter Kunde bin. Und übernachten konnte ich bei einer Familie in Zug, die seit Jahren zu mir in die Skischule kommt.» So war auch das «Eidgenössische» ein Volltreffer für den leidenschaftlichen Pistolenschützen. «Wenn man Beziehungen hat, ist das schon nicht schlecht», sagt er und blickt zufrieden in die atemberaubende Bergwelt im Glarner Hinterland.

Paul Hösli ist Redaktor bei den «Glarner Nachrichten» in Ennenda. Wenn er keine Artikel über das regionale Geschehen verfasst, produziert er die Zeitung. Zudem ist er der Stellvertreter von Ruedi Gubser für das Ressort Sport. Er ist seit 1997 bei der «Südostschweiz», im Jahr 2013 wechselte er intern von der Druckvorstufe in die Redaktion. Zuerst in einem 40-Prozent-Pensum und seit 2016 zu 100 Prozent. Mehr Infos

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