×

Nach der «Silvester Boom»-Absage droht ein weiteres Debakel

Kurz vor Türöffnung wurde die «Silvester Boom»-Fete in Chur abgeblasen. Offenbar von den gleichen Organisatoren wird im Juni ebenfalls in Chur ein Latin-Festival mit rund 150'000 Besuchern geplant. Es droht ein ähnliches Szenario.

07.01.20 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Das Latin World Festival soll Ende Juni stattfinden.
Das Latin World Festival soll Ende Juni stattfinden.
FACEBOOK/LATIN WORLD OPENAIR FESTIVAL

Die «grösste Silvesterparty Graubündens» sollte am 31. Dezember um 21.00 Uhr ihre Türen öffnen. Doch nur zwei Stunden davor wurde der Event via Facebook-Post abgesagt. Wegen «Schliessung der geplanten Location». Dabei war bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht bekannt, wo die Riesenfete überhaupt stattfinden sollte.

50'000 Gäste pro Tag erwartet

Nun zum Latin World Open Air Festival. Dieses ist laut den Auftritten der Veranstalter in den Sozialen Medien vom 26. bis 28. Juni in der Oberen Au in Chur geplant. Erwartet werden täglich 50’000 Gäste und diese sollen sich bei hundert Food-Ständen verpflegen können. Zum Vergleich: Das Open Air Lumnezia hatte 2019 eine Besucherzahl von 18'500 Personen. Das Open Air St. Gallen, welches übrigens am selben Wochenende stattfindet, wie das Latin World Festival, zieht jedes Jahr rund 100'000 Besucher an.

Anders als bei der Silvesterparty ist für diesen Event die Location bekannt. Er soll in der Oberen Au stattfinden. Bei der Stadtpolizei wurde diese Location für das genannte Datum auch reserviert. Diese Vorreservation sei allerdings noch nicht verbindlich. Die Organisatoren müssten bis Ende Januar die nötigen Konzepte für die Sicherheit, den Verkehr, den Brandschutz etc., bei der Stadtpolizei einreichen, damit die Reservation verbindlich wird, so die Stadtpolizei Chur auf Anfrage.

Erste Kategorie bereits ausgebucht – heisst es

Während dem bei der Stadtpolizei lediglich eine Vorreservation vorhanden ist, verkaufen die Organisatoren bereits fleissig Tickets. Die erste Kategorie mit «Early-Bird 3-Tages-Tickets» für nur 39 Franken ist bereits ausverkauft. Zumindest steht es so auf der Webseite des Festivals. Bei den restlichen Ticket-Kategorien steigen die Preise von 89 bis zu 449 Franken.

Auch die hundert Food Stände können sich schon über die Webseite anmelden. Eine Bar von drei Quadratmetern kostet dabei mal eben 1000 Franken. Exklusive Mehrwertsteuer, Stromanschluss und Stromverbrauch versteht sich.

Es wird keine Genehmigung geben

Den Ticket-Verkauf nimmt die Stadt Chur alles andere als gutmütig auf. Denn es gibt noch gar keinen Vertrag mit den Organisatoren und somit auch keine Genehmigung für den Event. Nach dem Vorfall mit der Silvesterparty hat die Stadt nach eigenen Angaben das Latin Festival nochmals genau überprüft und festgestellt, dass es sich hier um dieselben Organisatoren handeln muss, wie bei der Silvesterparty in Chur, die nie stattgefunden hat.

Der Organisator habe auch die entsprechenden Vorbereitungen getroffen und habe sich bei der Stadt vorgestellt. «Scheinbar verspricht er aber mehr, als er halten kann. Bis auf eine Anfrage und eine provisorische Abklärung haben wir keinen Vertrag und auch keine weiteren Informationen erhalten», erklärt Urs Marti, Stadtpräsident von Chur.

Die Stadt habe das Muster, das bei der Silvesterparty angewandt wurde, beim Latin Festival wiedererkannt. Auch dort wurden Tickets verkauft, obwohl noch wichtige Informationen fehlten. Das weist darauf hin, dass es niemals einen Vertrag mit einer Location gegeben hatte. «Wir unterschreiben keinen Vertrag mit Organisatoren, die Tickets verkaufen und somit Geld einkassieren, ohne, dass vorher Verträge gemacht und Genehmigungen eingeholt wurden», so Marti. «Wir werden auf keinen Fall mit dieser Organisation einen Vertrag abschliessen.»

Die Veranstalter des Latin Festivals haben auf die Anfrage von «suedostschweiz.ch» per Mail und die diversen Accounts auf Sozialen Medien bisher nicht reagiert.

Eine Vorlaufzeit von einem Jahr notwendig

Die Organisation und Planung eines Anlasses dieser Grösse hat im Grundsatz eine Vorlaufzeit von mindestens zwölf Monaten, erklärt Event-Experte Gérard Jenni. «Ein Veranstalter, der ohne die notwendigen Bewilligungen in den Verkauf geht, agiert aus meiner Sicht fahrlässig», so der Experte. Er sieht es nun vor allem als Aufgabe der Stadt Chur, seine Bevölkerung zu schützen und darauf aufmerksam zu machen, dass kein Vertrag mit dieser Organisation vorhanden sei.

SBB ist als Partner aufgeführt

Interessant sind die vielen Sponsoren, die in der Fusszeile der Webseite erwähnt sind. Unter anderem ist dort auch die SBB aufgeführt. Auf Anfrage sagt diese, sie seien kein offizieller Sponsor des Anlasses, sondern hätten lediglich einen ÖV-Partner-Vertrag abschlossen. Das sei eine «SBB-Dienstleistung, wie ihn zahlreiche andere Schweizer Anlässe auch schon mit der SBB abgeschlossen haben.» Das Angebot ist auch auf der Webseite der SBB zu finden.

Wenn die SBB einen Event auf der eigenen Webseite aufschaltet, könne man in der Regel davon ausgehen, dass es einen Vertrag zwischen dem Veranstalter und der SBB gibt, sagt Jenni. «Es kostet sehr viel Geld, wenn man das SBB-Ticket in das Event-Ticket integrieren möchte. Daher scheint mir das eine sehr spezielle Situation zu sein.»

Ein Latin Festival wäre in der Oberen Au umsetzbar

Ein Event dieser Grösse sei grundsätzlich umsetzbar in der Oberen Au, erklärt Stadtpräsident Marti. Dieser benötige aber eine entsprechende Vorlaufzeit, eine enge Planung und eine Abstimmung mit den öffentlichen Diensten, wie Verkehr, Abfall, Toiletten etc. Für das Latin Festival sei in dieser Hinsicht aber noch gar nichts vorhanden. «Wir haben von der Organisation seit den Begehungen nichts mehr gehört», so Marti. «Da das die gleichen Organisatoren sind, wie diejenigen, welche die Silvesterparty platzen liessen, habe ich nicht den Eindruck, dass diese in einem halben Jahr einen 50’000-Besucher-Event auf die Beine stellen können.»

Auch Eventexperte Jenni sagt, dass es grundsätzlich bei jedem Event möglich sei, 50'000 Besucher zu erreichen. Es sei nicht zwingend davon abhängig, wo ein Event stattfinde. Ob nun Chur oder Zürich. Viel entscheidender sei der Inhalt. «Wenn man die Rolling Stones zusammen mit Tina Turner an einen Event bringt, dann ist es überhaupt kein Problem 50'000 Besucher zu erreichen und es würde auch reichen das jetzt noch zu organisieren», erklärt Jenni. Wenn man den Inhalt aber nicht kenne und diesen auch nicht über die eigene Person oder die eigene Firma verkaufe, dann sei das ein Ding der Unmöglichkeit.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.

"Dummheit hatte eben immer einen hohen Preis!" Die Behörden in Chur haben absolut recht wenn sie sich weigern mit solchen "Organisatoren" Verträge abzuschliessen.Wer eine Ware verkauft ohne diese zu besitzen, ist schlich und einfach ein Betrüger und handelt kriminell.
Doch die vorwiegend jungen Leute solcher "Veranstaltungen" sind zum grössten Teil auch selber schuld. Ich staune immer wieder ¨über die teils erschreckende Naivität der Besucher welche ohne mit der Wimpern zu zucken,überteuerten Ticketpreise und die horrenden Preise am Food-Ständ bezahlen

Mehr zu Leben & Freizeit MEHR