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Von der Schwierigkeit, die Kirchgemeinde Ennenda zu führen

Fast der gesamte Kirchenrat der Reformierten Kirchgemeinde Ennenda ist zurückgetreten. Die Gründe sind vielfältig: Arbeitsüberlastung, Kommunikationsprobleme und weltanschauliche Differenzen.

Fridolin
Rast
19.03.20 - 05:29 Uhr
Leben & Freizeit
Eklat ums Gotteshaus: Die Kirche in Ennenda steht wo immer, doch der Kirchenrat ist durch einen externen Sachwalter ersetzt.
Eklat ums Gotteshaus: Die Kirche in Ennenda steht wo immer, doch der Kirchenrat ist durch einen externen Sachwalter ersetzt.
Sasi Subramaniam

In der evangelischen Kirchgemeinde Ennenda ist der Kirchenrat handlungsunfähig. Fünf der sechs Mitglieder sind zurückgetreten, der Kantonale Kirchenrat (KKR) der Evangelisch-Reformierten Kirche hat einen Sachwalter eingesetzt. Zwischen dem KKR und den zurücktretenden Ennendaner Kirchenrätinnen und -räten haben aber unmittelbar vor den Rücktritten keine Gespräche stattgefunden, wie beide Seiten nun gemeinsam den «Glarner Nachrichten» gegenüber erklären.

Barbara Fierz als Kirchenrätin seit 2018 und Vertreterin der Zurücktretenden sowie Ulrich Knoepfel als Präsident des KKR haben Auskunft gegeben, wie es zu den Rücktritten kam. Knoepfel bedauert im Rückblick, dass der KKR nicht früher mit den Kirchenratsmitgliedern geredet habe. Vom kollektiven Rücktritt sei er «völlig überrascht» worden: «Wenn wir gewusst hätten, dass es so brennt, hätten wir wohl anders gehandelt.»

Arbeitsüberlastung

Knoepfel sagt, er habe stattdessen darauf vertraut, dass eine bereits angesetzte Sitzung des Ennendaner Rates Klärung brächte: «Mit einer Aufforderung der Fünf an den sechsten Kirchenrat, zurückzutreten und mit dessen Absetzung als Vizepräsident.» Dies angesichts von nicht überbrückbaren Differenzen und Kommunikationsproblemen im Ennendaner Kirchenrat. Aber: Die Sitzung fand nicht mehr statt, die anderen Kirchenratsmitglieder traten vorher zurück.

Hauptgrund für die Rücktritte sei letztlich eine zu grosse Arbeitslast, erklärt Knoepfel: «Sie litten vor allem unter Arbeitsüberlastung und emotionaler Belastung.» Für die Präsidentin und für Barbara Fierz, die sich letztes Jahr notfallmässig auch noch um die Finanzen habe kümmern müssen, seien die persönliche und die Arbeitssituation massgebend geworden.

«Laufend neue Altlasten entdeckt»

Fierz führt aus, dass in den vergangenen zwei Jahren «in allen Ressorts immer mehr Altlasten zum Vorschein gekommen sind und aufgearbeitet werden mussten.» Als erste habe die Präsidentin den Rücktritt erklärt, aus gesundheitlichen Gründen. Denn die Präsidentin habe zuletzt über 50 Prozent für die Kirche gearbeitet und sei gesundheitlich an die Grenze gekommen.

Ein Todesfall und ein kurzfristiger Rücktritt wegen Krankheit habe die Belastung weiter erhöht. Unter anderem habe Fierz vorübergehend auch die Finanzen übernommen: «Und je weiter sich die neue Verwalterin in die Dossiers eingearbeitet hat, desto mehr Baustellen kamen zum Vorschein.» Knoepfel bestätigt diese Sicht und erklärt, «Baustellen» sei wohl noch eine zurückhaltende Formulierung.

Die ganze Last sei zur Kirchenentwicklung dazugekommen, so Fierz: «Wir fünf Kirchenratsmitglieder wollten auch die Vision ‹Generationenkirche› umsetzen.» Hätte der ganze Kirchenrat an einem Strang gezogen, so wäre das zu bewältigen gewesen, meint sie. Aber letztlich seien alle Ratsmitglieder über ihre Leistungsgrenzen  gefordert gewesen. Unüberwindbare Differenzen im Rat hätten auch sie zum Rücktritt bewogen, so Fierz. Worauf noch drei weitere Kirchenratsmitglieder resignierten. «Auch sie leisteten schon alles, was ihnen neben Familien und Arbeit möglich war», erklärt Fierz deren Rückzug.

Es geht aber auch um die Richtung

Verglichen damit spiele das Thema Schamanismus nur am Rand eine Rolle, sagt Knoepfel heute. Als der KKR die Rücktritte meldete, hatte er das Thema gegenüber der Kirchenplattform ref.ch noch als Grund «präzisiert».

Der KKR habe aber schon zuvor gegen ihre schamanische Tätigkeit Vorbehalte geäussert, so Barbara Fierz. Sie betont, diese Tätigkeit habe ausserhalb der Kirche stattgefunden. Diese Vorbehalte hätten für sie signalisiert, «dass ich vom KKR keine Unterstützung als Kirchenrätin habe». Und so auch zu ihrem Rücktrittsentscheid beigetragen, gewissermassen als Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Denn der noch verbleibende Kirchenrat habe Gegner mobilisiert. Und: «Ich bin deswegen offen denunziert und in der Gemeinde angeprangert worden.» Das empfinde sie als Rückenschuss, denn: «Ich habe 2018 an der Kirchgemeindeversammlung meine – ausserkirchliche – Tätigkeit offengelegt und bin einstimmig gewählt worden.»

Knoepfel bestätigt, dass der KKR vom «Gerede» in Ennenda gewusst habe. Der KKR sehe die Ritualtätigkeit von Fierz zwar kritisch, habe aber ihr und dem Ennendaner Kirchenrat auf keinen Fall deswegen die Unterstützung entzogen.

«Wir stehen hinter der Pfarrerin»

Für die Kirchgemeindemitglieder stellt sich nach dem Kollektivrücktritt auch die Frage nach der Position der Pfarrerin. Knoepfel erklärt, der KKR stehe hinter Pfarrerin Iris Lustenberger.  Sachwalter Bernhard Neyer aus Stäfa, der von Beruf auch Mediator ist, werde sich bemühen, ihr den Rücken freizuhalten, damit sie sich den Menschen und der Seelsorge widmen könne und nicht in die Auseinandersetzungen hineingezogen werde.

Barbara Fierz betont, der bisherige Ennendaner Kirchenrat sei immer voll hinter Lustenberger gestanden: «Sie ist mit ihrer Zusatzausbildung als Trauma-Therapeutin ausserordentlich befähigt, Menschen in einer Krise zu unterstützen.» Mit ihren Angeboten von «Zeit der Stille» und «Lebendige Bibel heute» biete Lustenberger auch Meditation und eine zeitgemässe Auseinandersetzung mit der Bibel.

KKR-Präsident Ulrich Knoepfel sagt, er hoffe, die Gemeindemitglieder in Ennenda würden nun trotz des Schocks zusammenrücken für eine gute gemeinsame Zukunft.

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