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Wie eine Bündnerin die Pandemie in Brasilien erlebt

Manuela Schläpfer aus Bever unterstützt mit einer freiwilligen Hilfsorganisation bedürftige Menschen in Brasilien. Dabei erlebt sie die katastrophale Coronasituation vor Ort hautnah.

Südostschweiz
02.04.21 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit

«Manu -­ Helping Favela Rocinha» heisst das Projekt, mit dem Manuela Schläpfer auf der gleichnamigen Facebookseite um Spenden wirbt. Seit dem Jahr 2017 leitet die gebürtige Bündnerin das Hilfsprojekt in der brasilianischen Favela «Rocinha», einem Stadtteil von Rio de Janeiro. Die 31-Jährige unterstützt dabei hilfsbedürftige Menschen. Ihre Liebe zu Brasilien entdeckte Schläpfer ein halbes Jahr zuvor bei einer Reise im September 2016. Als gelernte Fachfrau Betreuung Kind war es ihr Wunsch, sich für hilfsbedürftige Kinder und Jugendliche einsetzten zu können. Deshalb entschied sie sich, ein eigenes Projekt auf die Beine zu stellen.

Die derzeitige Coronasituation in Brasilien erlebt die Engadinerin hautnah mit: «Es ist extrem schlimm», beschrieb sie die Situation vor Ort gegenüber Radio Südostschweiz. «Pro Tag sterben über 1000 Leute.» Das Problem sieht Schläpfer dabei vor allem in der politischen Führung des Landes: «Die Pandemie wurde vom Präsidenten von Anfang an ins Lächerliche gezogen.» Und wenn dann Massnahmen ergriffen würden, dann jeweils zu spät, so Schläpfer.

Seit dem vergangenen Wochenende sind die Strände geschlossen und über Ostern wurde nun ein kompletter Lockdown verhängt. Dennoch seien die Spitäler bereits ausgelastet. «Es hat einfach zu wenig Kapazität», so Schläpfer. Das grösste Problem sei nicht einmal das Virus selbst. Viel schlimmer sei, dass sich durch die Krise die ohnehin prekäre soziale Situation noch weiter verschärft habe.

Wenig staatliche Hilfe

In der Favela Rocinha sei beispielsweise der Hunger das grösste Problem, da die Lebensmittelpreise im Zuge der Krise enorm gestiegen seien: «Fünf Kilogramm Reis kosten nun das Doppelte wie vor der Pandemie.» Auch gibt es kaum Zugang zu sauberem Trinkwasser, wie Schläpfer anmerkt. Dabei sei die Situation schon zuvor schwierig gewesen. Für viele Familien gehe es ums Überleben. «Die Leute können nicht einfach zu Hause sitzen und nichts tun.» Deshalb gehe der Alltag in den Favelas grösstenteils ganz normal weiter.

Unterstützung vonseiten des Staates gebe es dabei wenig. Im vergangenen Jahr seien es umgerechnet 100 Franken pro Monat gewesen. Dabei zahlen viele Familien 300 bis 400 Franken Miete. Unterstützung erhielten die Bewohner der Favelas hauptsächlich von freiwilligen Organisationen wie zum Beispiel der Kirche oder dem Projekt «Manu -­ Helping Favela Rocinha» von Manuela Schläpfer.  «Wir unterstützen 200 Leute mit Essenskörben und Hygieneprodukten.» Es sei natürlich eine kleine Hilfe, wenn man bedenkt, dass allein in Rocinha 250’000 Leute leben. «Aber wir geben unser Bestes», sagt die Bündnerin. Durch Familienbesuche werde abgeklärt, welche Familien an meisten auf Hilfe angewiesen seien. Wobei Schläpfer anmerkt, dass grundsätzlich alle Bewohner Unterstützung benötigen würden.

Grosser Verlust für Kinder

Trotz der Umstände ist eine Rückkehr in die Schweiz für die Bündnerin derzeit keine Option: «Ich habe hier mein Projekt, welches ich leite und fühle mich wohl.» Längerfristig werde sie aber sicher wieder in die Schweiz zurückkehren, vor allem wegen der Schulen: «Hier sind die Schulen seit einem Jahr geschlossen, was ebenfalls ein Riesenproblem ist.» Zwar gebe es Homeschooling-Angebote, allerdings haben gerade in den Favelas die Familien praktisch keine Möglichkeit, um Homeschooling zu betreiben. «Dies ist ein grosser Verlust für die Kinder.» Auch deshalb hofft Manuela Schläpfer, dass sich die Situation so bald wie möglich bessere.

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