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Aus diesem Grund werden die Lärchennadeln golden

Naturliebhaber und Fotografinnen sind jedes Jahr im Herbst aufs Neue fasziniert vom Farbenspiel im Engadin.

Südostschweiz
13.10.21 - 16:59 Uhr
Leben & Freizeit

von Simone Zwinggi und Christoph Benz

Goldgelbe Lärchen vor schneebedeckten Bergspitzen: Ein Kontrast, der nur für kurze Zeit zu bewundern ist und vor allem im Engadin begeistert. Doch weshalb kommt es überhaupt zur Verfärbung der Lärchennadeln? Radio Südostschweiz hat bei Ralf Fluor, dem Revierförster von La Punt-Chamues-ch und Madulain, nachgefragt. 

Schatz bewahren

Als Allererstes erklärt Fluor, dass die farbliche Veränderung der Lärchennadeln keine Verfärbung sei, wie der Vorgang im Volksmund gerne bezeichnet werde. «Die Lärchen ziehen das Chlorophyll aus den Nadeln zurück, um es den Winter über im Baumstamm aufzubewahren.» Das Blattgrün, also das Chlorophyll, sei sehr wertvoll für die Bäume. Weil bei den Lärchen 20 bis 30 Nadeln aus demselben Punkt wachsen würden, sei die Gefahr zu gross, dass im Winter bei Schnee und Wind viele Nadeln gleichzeitig verloren gingen. «Ohne Blattgrün bleibt unter anderem Terpentin und Harz in den Nadeln zurück und die Nadeln werden gelb», so Fluor weiter. 

Entscheidend vom Wechsel von Grün auf Gelb sei der Temperatursturz im Herbst, erklärt Fluor. «Aber auch die Tageslänge hat Einfluss darauf, dass sich die Lärchen langsam, aber sicher auf den Winter vorbereiten.» Als weitere Vorbereitung auf den Winter stoppen die Bäume – gleichzeitig mit dem Zurückziehen des Chlorophylls – die Wasseraufnahme mit den Wurzeln. Deshalb komme es auch vor, dass eine Lärche mit grünen Nadeln direkt neben einer Lärche mit gelben Nadeln stehe, sagt Fluor. «Wenn die eine Lärche auf einem Fels steht und wenig Wasser bekommt, werden deren Nadeln früher gelb als jene der zweiten Lärche, die auf ‹normalem› Boden steht.»

Pionierin und Einzelkämpfern

Die Lärche als perfekt angepasste Gebirgsbaumart weiss ganz klar, was sie will. «Viel Licht», weiss Fluor. «Deshalb wächst sie leider nicht so gut mitten im Wald.» Fluor und seine Försterkollegen bedauern das, weil die Rinde der Lärche robust ist und der Baum – auch wegen des Nadelverlusts im Herbst – bei Bränden im Frühling sehr resistent ist. Eine weitere Vorliebe der Lärche: Orte, an denen ihr niemand sonst den Platz streitig macht. «Zum Beispiel gedeiht die Lärche nach Murgängen auf sandigem, rohem Boden und dort, wo Gletscher sich zurückziehen», sagt Fluor.

Rund drei Viertel aller Lärchen seien auf einer Höhe von mehr als 1400 Metern über Meer zu finden. «Die Lärche stammt ursprünglich aus Sibirien», so Fluor. Vor etwa 60 Millionen Jahren begann ihr Vorstoss Richtung Europa, indem die Samen vom Wind stetig weitergeweht wurden.» Heute ist sie nicht mehr wegzudenken aus der Gebirgslandschaft Graubündens, vor allem nicht aus dem Engadin.

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