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Wie sich «Sigi» damals täuschte

Jürg
Sigel
04.10.18 - 04:30 Uhr

Im Blog «Anpfiff» berichten Journalistinnen und Journalisten jede zweite Woche aus der Südostschweiz-Sportredaktion.

Jürg Sigel* über YB, das einer flaschen Prophezeiung zum Trotz die neue Nummer 1 im Schweizer Fussball wurde.

Neun Runden sind in der Fussball-Super-League gespielt, und schon hats gekracht, haben drei der zehn Klubs ihre Trainer ausgewechselt. Am Montag wurde Guillermo Abascal in Lugano entlassen, obwohl die Tessiner ihren Möglichkeiten entsprechend gar nicht so schlecht unterwegs sind. Dass in Sion Maurizio Jacobacci gehen musste, erstaunt hingegen wenig. Trainerwechsel im Wallis sind ja nichts Besonderes. Diese Geschichte wiederholt sich Jahr für Jahr oder nicht selten in noch kürzeren Abständen. Am schnellsten war in dieser Saison aber Raphael Wicky seinen Job los – nicht überraschend, nachdem der FC Basel als Serien-Schweizer-Meister entthront wurde. Nur der Zeitpunkt erstaunte. Wicky wurde bereits nach zwei Pflichtspielen gefeuert.

Panik in Basel? Wohl schon. Beim FCB war man sich eben Titel en masse gewohnt. Die Basler waren national mehrere Jahre die klare Nummer 1 und bescherten den Schweizer Fussballfreunden mehrere grandiose Champions-League-Abende. Man erinnere sich nur an den letzten Achtelfinal-Auftritt: 2:1 bezwang der FCB auswärts Manchester City. Ein Riesencoup, auch wenn nach der 0:4-Pleite im Hinspiel die Chancen auf ein Weiterkommen gleich null waren. 

Es sollte das vorerst letzte Mal gewesen sein, dass sich die Basler im internationalen Schaufenster präsentieren durften. Einige Wochen später waren sie plötzlich auch nicht mehr Schweizer Meister. Zu viel des Schlechten. Also wurde Wicky freigestellt – und es kam noch weit schlimmer.

Die Basler sind in dieser Saison nicht nur nicht europäisch, spätestens seit dem 1:7-Debakel in Bern gegen die Young Boys droht ihnen selbst in heimischen Gefilden eine ganz triste Saison. YB, der Titelverteidiger, zieht der Konkurrenz auf und 
davon. Wie eine gelb-schwarze Lawine räumen die Berner alles aus dem Weg, was sich ihnen entgegenstellt. Basel inklusive. Früher wars umgekehrt. Da walzte der FCB alles weg, YB hinkte als ewiger Zweiter hinterher. Noch vor zwei Jahren war das so, als ein gewisser Urs Siegenthaler, ex-Fussballer und Basler, im YB-Verwaltungsrat sass. In dieser Funktion gab er sein erstes Interview vor der Basler Muttenzerkurve(!). Allein dies brachte jeden Berner in Rage. Siegenthalers Worte trieben den YB-Anhang definitiv zur Weissglut. «Es ist völlig unrealistisch, den FC Basel angreifen zu wollen», sagte er. Ganz Bern tobte, die Fans reagierten 
gehässig und im Stadion mit «Hou ab, Sigi!»-Plakaten. «Sigi» haute tatsächlich ab.

24 Monate später ist YB die Nummer 1 im Schweizer Fussball, der FCB ein Klub unter vielen. Das kann wieder ändern. 
Im Moment deutet jedoch wenig darauf hin, dass dies sehr bald geschieht. Bern ist 
die neue Schweizer Fussball-Hochburg. Nicht mehr am Rheinknie, sondern in der Bundeshauptstadt wird in diesem Herbst Champions League gespielt. Allerdings ist YB noch nicht so weit, als dass es in der Königsklasse ähnlich erfolgreich auftreten kann wie dies seinerzeit die Basler taten – Irrtum vorbehalten. Im Sport weiss man heute ja nicht, was morgen sein wird. Auch Siegenthaler hat sich vor zwei Jahren gewaltig geirrt. Oder er sah alles kommen, wollte als Basler die bevorstehende 
Machtübernahme der Young Boys aber 
einfach nicht wahrhaben.

Jürg Sigel ist Sportredaktor

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