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Dilemma der klimabewussten Sportler

28.11.19 - 04:30 Uhr
KEYSTONE
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Im Blog «Anpfiff» berichten Journalistinnen und Journalisten jede zweite Woche aus der Südostschweiz-Sportredaktion.

Véronique Ruppenthal* über den Umgang von Sportlern mit dem Klimawandel

Der Zeitgeist ist grün. Dies hat sich kürzlich bei den nationalen Parlamentswahlen gezeigt, welche unter anderem eine eindrückliche und historische Verschiebung mit deutlichen Sitzgewinnen der Grünen und Grünliberalen mit sich brachten. Auch in der Südostschweiz liess sich deren Aufschwung erkennen. Ob der Trend einen Einfluss auf die Bundesratswahlen haben, wird sich zeigen. 

Die Auswirkungen des Klimawandels dürften den meisten bekannt sein – zumindest die wichtigsten: Beschleunigung der Gletscherschmelze, steigende Schneefallgrenzen, schwindende Schneereserven, um nur einige wenige zu nennen. Der Klimawandel existiert – auch wenn dies gewisse abtretende Sportfunktionäre noch immer anzweifeln – und die Schweiz wird gemäss Bundesamt für Umwelt voraussichtlich besonders stark betroffen sein, mit Auswirkungen auf die Umwelt, aber auch auf Wirtschaft und Gesellschaft.

Diejenigen, die den Klimawandel hautnah miterleben, sind die Wintersportler. Die Skirennfahrer etwa, oder die Langläufer. Sie bestreiten Rennen auf weissen Schneebändern, die sich durch grüne Landschaften ziehen, oder trainieren auf Gletschern, die ihnen buchstäblich unter den Skiern wegschmelzen. Ob dies Spass macht? Wohl kaum. 

Dass solche Erfahrungen sehr wohl schmerzen, machte der Walliser Slalomspezialist Daniel Yule kürzlich in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» deutlich. Zu sehen, wie die Winter, wie er sie aus seiner Kindheit kenne, schwinden, stimme ihn wehmütig.
Skirennfahrer trainieren im Sommer meist in Sommerskigebieten auf Gletschern, deren Rückgang auch für sie zunehmend zum Problem wird. Für Yules Karriere zwar noch nicht, für die nächsten ein, zwei Generationen vielleicht auch noch nicht. «Aber auf die Dauer wird es sehr wohl problematisch. Wann es so weit sein wird, weiss ich nicht. Aber die Veränderungen von Jahr zu Jahr sind augenfällig», so der Walliser.

Die Alternative zum Training auf dem Gletscher sind Trainingsaufenthalte in der Südhemisphäre. Argentinien oder Neuseeland sind beliebte Destinationen von Swiss-Ski. Womit wir beim eigentlichen Problem wären: Sportler sind Vielflieger. «Als Skirennfahrer bin ich mehr Teil des Problems als Teil der Lösung», sagt Yule im Interview selbstkritisch. Damit sei nicht leicht zu leben.
Doch gänzlich aufs Fliegen zu verzichten, kommt für viele Sportler nicht in Frage. Um in ihrer Disziplin konkurrenzfähig zu sein, müssen sie dorthin gehen, wo die Trainingsverhältnisse optimal sind, ansonsten schwindet ihre Chance auf Spitzenplätze wie das Eis der Gletscher. Wie gross die damit verbundenen Umweltopfer sein dürfen, bis einem sein Beruf nicht mehr wert ist, muss jeder selber wissen. Dies ist das Dilemma der klimabewussten (Winter-)Sportlern.

Für vielfliegende Sportler ist es darum umso wichtiger, die eigenen negativen Auswirkungen aufs Klima «wenigstens im Kleinen zu verringern», wie Yule und hoffentlich auch alle anderen Sportler finden. Jeder Einzelne sollte sich bemühen, auch wenn es nur Kleinigkeiten sind. So lässt sich der durchs Fliegen verursachte CO2-Ausstoss zwar nicht gänzlich kompensieren, aber immerhin einen Teil dazu beitragen sowie das Problembewusstsein schärfen. Und vielleicht das eine oder andere schlechte Gewissen hervorrufen.

Véronique Ruppenthal ist Sportreporterin bei TV Südostschweiz 

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