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Flammende Plädoyers neben dem Eis 

25.02.21 - 07:26 Uhr
SCHWEIZ EISHOCKEY DAVOS LANGNAU
HCD-Stürmer Marc Wieser findet klare Worte, wenn es um die Ligareform geht.
KEYSTONE

Im Blog «Anpfiff» berichten Journalistinnen und Journalisten jede zweite Woche aus der Südostschweiz-Sportredaktion.

«Meine Tore sind nicht so wichtig, wichtig ist, dass wir als Team gewonnen haben.» Oder: «Jetzt müssen wir das Spiel analysieren und nach vorne schauen.» Diese Plattitüden von Fussball- oder Eishockeyspielern kennt man. Manchmal glaube ich, dass ein und derselbe Medienberater sämtliche Spieler in der Schweiz berät. Natürlich übertreibe ich ein wenig und natürlich gibt es gute Ausnahmen. Spieler, die ihrer Freude oder ihrem Ärger freien Lauf lassen oder kurz nach dem Spiel mit treffender Analyse Sieg oder Niederlage begründen können. 

Letzthin wurde auch ich positiv überrascht, als ich nach einem HCD-Spiel mit Stürmer Marc Wieser ein Interview führte. Es war jene Meisterschaftsrunde, in der vor jedem Spiel eine Protestaktion durchgeführt wurde. Spieler und Fans wehrten sich gegen die Ligareform und die Aufstockung der Ausländerlizenzen von vier auf sieben. In allen Stadien wurden von den Spielern Plakate in die TV-Kameras gehalten mit der Aufschrift: «Der Nachwuchs ist unsere Zukunft, die Fans unser Rückgrat und Hockey unser Leben.» So auch im Spiel in Davos. Nach dem Spiel fand Wieser deutliche Worte. «Wir sind Marionetten», meinte er. Es ging darum, dass Schweizer Spieler mit über 90 Prozent gegen die neue Regelung waren. Und darum, dass die Klubbosse dies kaum in ihre Entscheidung einfliessen liessen. Eine weitere Aussage Wiesers: «Da brauchst du einen Coach, der Eier hat.» Dies sagte Wieser im Bezug darauf, dass mit sieben erlaubten Ausländern viele Junioren kaum mehr eine Chance auf Einsätze in der obersten Liga haben würden. Ich war verblüfft, wie unverblümt Wieser sich ausdrückte. Verblüfft war ich aber auch ob der Aussagen von Spielern in anderen Stadien, die in eine ähnliche Richtung gingen. Doch es ist nicht nur die Offenheit der Antworten, die überraschen lässt, sondern die ganze Aktion. Wie sie geplant war, wie sie durchgeführt und von den Spielern vertreten wurde. 

Spieler, von denen man vorher Plattitüden zu hören bekam, treten plötzlich vor die Kamera und zeigen sich als begnadete Rhetoriker. Ein weiteres Beispiel ist Jonas Hiller. Er ist nicht mehr aktiver Spieler, aber als Präsident der Spielergewerkschaft noch immer aktiv mit dem Schweizer Eishockey verbunden. Hiller muss in dieser Funktion den Vergleich mit anderen Gewerkschaftsführern oder Politikern nicht fürchten. Argumentation und Emotion perfekt in Einklang bringend, spricht Hiller in die TV-Kameras. Auch dank ihm ist die Protestaktion keine Eintagsfliege. Viel eher könnte eine Entscheidung, die praktisch schon gefällt ist, nochmals ins Wanken bringen. Die mächtigen Klubbosse, die mit grosser Mehrheit die Siebener-Regel vertreten haben, sind plötzlich in die Ecke gedrängt. Medial sind sie jetzt schon die Buh-Männer der Eishockeyschweiz. 

Auf den ersten Blick mag es erstaunen, was passiert ist. Plötzlich sind die Eishockeyspieler ihren Arbeitgebern rhetorisch überlegen. Anstatt Plattitüden halten Eishockeyspieler flammende Plädoyers. An was liegt das? An plötzlich neu gewonnen rhetorischen Fähigkeiten? Wohl kaum. Wohl eher daran, dass die besseren Argumente schlicht auf Seiten der Spieler sind. Bisher konnte mir noch kein Argument verständlich machen, wie mit sieben Ausländern die Kosten gedrückt werden können. Die Klubbosse können mit ihren Argumenten nicht gewinnen. Und weil dem so ist, wurde die Spielergewerkschaft wohl nie an den Verhandlungstisch gelassen.

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