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Mamas machen eh alles falsch

Kristina
Schmid
20.09.19 - 04:30 Uhr

Beginnt das Chaos jeden Tag von vorn, sagen wir: Herzlich Willkommen im Familienleben. Unser Alltag reiht verrückte, bunte, profane und ab und zu unfassbar perfekte Momente aneinander. Das Leben als Mama oder Papa ist eine aufregende Reise, auf die wir Euch nun mitnehmen. Ganz nach dem Motto: Unser Alltag ist ihre Kindheit.

«Du solltest ihr nicht so viel Süsses geben.»

«Ich würde meine Kinder niemals in einem Restaurant so rumrennen lassen.»

«Du solltest Deinem Baby wirklich Socken anziehen.»

Wer kennt sie nicht? Sätze, die Mütter in einen Strudel von Schuldgefühlen schicken. Sie grassieren so stark, dass ich keine Mutter kenne, die nicht zumindest einmal Schuldgefühle entwickelte aufgrund von Aussagen anderer Mütter. Vielleicht liegt es daran, dass heute alles auf den Sozialen Netzwerken geteilt wird und dadurch das Gefühl entsteht, alle vom eigenen Weltbild überzeugen zu müssen. Vielleicht sind die Menschen aber auch einfach so von sich selbst überzeugt und glauben tatsächlich, sie dürften über andere Menschen und deren Erziehungsstil urteilen. Doch ganz egal, wo der Ursprung liegt: Es ist falsch.

Die üblichen Verdächtigen kennen wir alle. Die Emotionen bei Müttern und auch allen anderen gehen hoch, wenn es darum geht, ob man das eigene Kind impfen soll oder nicht. Ebenfalls bei der Frage, ob und wie lange Kinder vor dem Bildschirm sitzen dürfen. Und schliesslich auch darüber, ob Babys gestillt werden sollen oder nicht. Dabei verstehe ich noch nicht einmal, weshalb etwas so Intimes öffentlich debattiert wird. Ich habe aber inzwischen gemerkt, dass es nicht immer offensichtliche Beleidigungen sein müssen, die bei einer Mama Schuldgefühle auslösen. Manchmal sind es subtile Bemerkungen, verstohlene Blicke oder angeblich unschuldige Kommentare, die eine Frau dazu bringen, ihre Erziehung oder ihre Rolle als Mutter zu hinterfragen. 

Als Mutter weisst du nie, wann es dich erwischt. Aber der Moment kommt, und dann bist Du an der Reihe. Bei mir war es eine Aussage, die laut genug ausgesprochen wurde, dass auch ich sie nicht überhören konnte. «Ich persönlich», fing die Frau an, «würde niemals mein Kind übers Wochenende abgeben, nur um mich zu amüsieren.» Bum. Da wars. Schuldgefühle überrollten mich. Die Frau hatte einen wunden Punkt getroffen.

Auch wenn ich es besser wusste, traf mich ihre Aussage tief. Ich hatte das Bedürfnis, mich zu verteidigen. Aber ich konnte nicht. Ich brachte meinen Mund nicht auf. Stattdessen musste sich später mein Mann von mir alle Gründe anhören, weshalb es doch so wichtig ist, auch einmal seine ungeteilte Aufmerksamkeit dem Ehepartner zu widmen. Ohne Kinder. Weshalb jede Ehe meiner Meinung nach mal eine Auszeit vom Mama-und-Papa-sein braucht. Zweisamkeit, um wieder aufzutanken und zueinander zu finden. Ich begann, meinem Mann zu erklären, was ich eigentlich dieser Frau gerne gesagt hätte. All meine Gründe. Doch nach nur einer Minute unterbrach er mich.

«Kristina», sagte er. «Nichts davon ist wichtig. Wir haben uns dazu entschieden, weil es die beste Entscheidung für uns ist. Fertig.»

Auch wenn es mir schwer fiel, es zuzugeben: Er hatte Recht. Als Familie haben wir uns entschieden, diesen Weg so zu gehen. Egal, welche Gründe dahinter stecken – sie gehen niemanden etwas an. Ich muss mich nicht rechtfertigen. Nicht der Familie gegenüber, nicht Freunden – und ganz bestimmt keinen Fremden. 

Ich erzählte meinen Freundinnen davon. Und was ich hörte, waren ihre Erfahrungen. Sätze, die andere Frauen ihnen gesagt haben, welche sie tief verletzten.

«Ich habe doch keine Kinder bekommen, um sie dann in die Kita zu schicken.»

«Kannst Du denn nicht arbeiten, während sie schläft?»

«Sie braucht immer noch den Nuggi, wirklich?»

«Nein danke. Mein Kind isst keine Fertig-Nahrung.»

«Ui. Sie darf aber lange aufbleiben.»

Ich weiss, woher diese Ratschläge kommen. Kinder zu erziehen, ist hart. Und es ängstigt jede Mutter, sich selbst zu fragen, ob man die richtigen Entscheidungen trifft. Es ist einfacher, die Entscheidungen und die Erziehung anderer Mütter zu kritisieren, als zuzugeben, dass es vielleicht nicht die einzige und ultimative Art ist, wie wir unsere Kinder erziehen. Eine andere Mutter zu verurteilen, sagt mehr über die Mutter aus, die urteilt. Sie zeigt in diesem Moment ihre eigene Unsicherheit. Lasst uns also alle einmal tief durchatmen und uns daran erinnern, dass es Tausende Wege gibt, ein glückliches und wundervolles Kind grosszuziehen. Nur weil es jemand anders macht, heisst das nicht, dass er es falsch macht. 

Und falls Du Dich in einer Situation wiederfinden solltest, in der eine Mutter Dir zu verstehen gibt, dass Du es falsch machst: Werde nicht traurig oder wütend. Finde Mitgefühl. Egal, wie schwierig das sein mag. Denn Du weisst: Du gibst jeden Tag Dein Bestmögliches. Und im Gegensatz zu anderen hast Du es nicht nötig, jemanden in ein schlechtes Licht zu stellen, nur um Dich selber besser zu fühlen.

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