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Falsche Vorstellungen und echte Glücksgefühle

Kinder hindern eine Frau daran, ihre Träume zu verwirklichen. Dieses traurige Bild wird in unserer Gesellschaft nur allzu oft vermittelt. Ein Bild, das der Wahrheit nicht gerecht wird.

Kristina
Schmid
26.03.21 - 04:30 Uhr
STOCKSNAP / PIXABAY

Beginnt das Chaos jeden Tag von vorn, sagen wir: Herzlich Willkommen im Familienleben. Unser Alltag reiht verrückte, bunte, profane und ab und zu unfassbar perfekte Momente aneinander. Das Leben als Mama oder Papa ist eine aufregende Reise, auf die wir Euch nun mitnehmen. Ganz nach dem Motto: Unser Alltag ist ihre Kindheit.

Sie haben mir gesagt, dass ich so viel von meinen Freiheiten verlieren würde. Wenn ich Mutter werde.

Sie haben mir gesagt, dass ich so viel mehr von meiner Kraft, Zeit und Energie für andere opfern müsste. Wenn ich Mutter werde.

Sie haben mir gesagt, dass es hart werden würde. Wenn ich Mutter werde.

In den vergangenen drei Jahren ist mir bewusst geworden, wie unfassbar negativ das Muttersein in unserer Gesellschaft porträtiert wird. Wir leben in einer Gesellschaft, die Frauen vermittelt, dass ihr Leben vorbei ist, wenn sie Kinder bekommen.

Aus im Sinne einer Karriere. Aus im Sinne einer glücklichen Beziehung. Aus im Sinne eines erfüllten Lebens.

Mein Leben als Mutter, und das kann ich nach drei Jahren sagen, ist weit, weit, weit davon entfernt, vorbei zu sein. Es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen vorbei und verändert. Und meine Erfahrung zeigt mir: Mein Leben fängt gerade erst so richtig an. Denn:

Sie haben mir nicht gesagt, wie süss und kostbar die Reise werden würde. Sie haben mir nicht gesagt, dass ich jemandes Zuhause würde. Sie haben mir nicht gesagt, dass Freude eine neue Bedeutung bekommen würde.

Jedes Mal, wenn die Müllabfuhr kommt, rennt mein Ältester voller Freude zum Fenster, drückt seine Nase gegen die Scheibe platt und ruft: «Mama, Mama, er isch da. Chum schnell». Jedes Mal, wenn der Pöstler an der Türe klingelt, rennt mein Grosser die Treppe runter und ruft: «Es Päckli. Döff i es öffna?». Jedes Mal, wenn ein Zug in den Bahnhof einfährt, leuchten seine Augen wie am Weihnachtsmorgen.

In seiner kleinen Welt ist alles aufregend. Und mit seiner Mama teilt er dann diese reine, kindliche Freude. Mein Sohn erinnert mich täglich daran, dass die wahre Freude in den einfachen Dingen des Lebens liegt. Weil er diesen Grundsatz ohne es zu wissen lebt. Es sind diese Momente, in denen er dann meine Hand ganz fest drückt, und seine Augen zu strahlen beginnen. Und immer, wirklich immer, wünschte ich, der Moment würde ewig währen.

Wir waren letztens auf dem Spielplatz. Ich stand im Schatten eines Baumes und schaute dem Grossen zu, wie er im Sand buddelte. Die Schulglocke läutete gerade die Pause ein, als bereits ein gutes Dutzend älterer Jungs über den Sandkasten rannte. Mein in diesem Moment kleiner Bub stand auf und fing an, seinen Kopf in alle Richtungen zu drehen. Sein Körper war plötzlich ganz angespannt. Dann traf sein Blick auf meinen und eine Welle der Erleichterung breitete sich in seinem Gesicht aus. Die Anspannung fiel. Ich hatte so etwas noch nie zuvor bei ihm beobachtet. Es war überwältigend. Denn schlagartig wurde mir bewusst: Zurzeit, da bin ich sein Zuhause.

Unsere leistungs- und wohlstandsorientierte Gesellschaft vermittelt mir als Frau nicht, dass es eine Ehre ist, jemandes Zuhause zu sein. Ein Ort, wo seine kleine Seele Trost, Sicherheit und Zuflucht findet. Ein Ort, an dem Ruhe, Wärme und Liebe auf den Kleinen warten, wenn er es braucht. Weil ich sein Zuhause bin. Zumindest noch.

Wenn wir abends ins Bett gehen – was mein liebster Teil des Tages ist – da lege ich mich neben sein Bettchen und halte dabei seine Hand. So lange, bis er tief und fest schläft. Und wenn ich meine Sorgen und Gedanken in diesem Moment Beiseiteschieben kann, dann wird mir wieder bewusst, wie unglaublich wertvoll und flüchtig das alles doch ist.

Nah zu sein. Zusammen zu sein.

Sein Zuhause zu sein.

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