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Risikosportart Golf

Roman
Michel
09.07.20 - 04:30 Uhr
Instruktionen vom Lehrer: Die richtige Eisenwahl ist zentral. PRESSEBILD
Instruktionen vom Lehrer: Die richtige Eisenwahl ist zentral. PRESSEBILD

Teuer, elitär, versnobt - kaum eine Sportart ist derart mit Vorurteilen behaftet wie das Golfen. Zurecht? Unser Sportjournalist Roman Michel will’s wissen und macht diesen Sommer den Selbsttest. Von 0 bis zur Platzreife. 

Ach, wie einfach war das doch zu meinen Unihockey-Zeiten. Als ein Stock genügte, um Tore zu schiessen, zu dribbeln und zu verteidigen. Als ich die Stocktasche lässig über die Schultern schwingen und mit dem Velo ins Training fahren konnte.

Im Golf genügt ein Schläger (pardon: Eisen) nicht. Auch nicht zwei oder drei. Gefühlt für jeden Schlag kommt ein neues Arbeitsinstrument hinzu. Meine Eisensammlung ist nach Trainingslektion Nummer 3 mittlerweile auf sieben angewachsen. Sieben. Der zwanzigminütige Weg vom Bahnhof (ja, ich bin wohl der einzige Golfer, der mit dem Zug anreist) wird bei Sommertemperaturen zur Tortur. Und die Eisenwahl auf dem Platz zum grossen Rätselraten. «7», «8» oder «P» heissen die Eisen. Gäbe es nicht eingängigere Namen? Vielleicht hätte ich dann nicht zwei Wochen lang mit dem falschen Arbeitsgerät meine Pitching-Schläge (gemäss Golf-ABC Schläge aus ca. 20 Meter Entfernung) geübt. Gefühlte 200 Versuche, gefühlte 200 Mal geärgert, dass der Ball zu flach fliegt. Und gefühlt 200 Mal das Video, dass mir mein Lehrer Paul geschickt hat angeschaut und gedacht: Die Bewegung stimmt doch ganz gut. «Falsches Eisen», sagte Paul am Wochenende beim ersten gemeinsamen Training nach zwei Wochen. Am liebsten hätte ich das «falsche Eisen» gleich irgendwo im Sandbunker verbuddelt. Aber das brauche ich ja sonst noch irgendwo. Wo auch immer.

Erklärvideo zum Bunker: Neben dem Ball soll auch der Sand fliegen. PRESSEVIDEO

A propos Sandbunker: Am Sonntag kam Eisen Nummer 7 zu meiner Sammlung hinzu. Wenigstens sagt der eingravierte Namen schon alles: «Sand Wedge». Verwechslungsgefahr: klein. Irgendwie sympathisch. Ganz anders das Spiel im Bunker. Ziel des Schlages ist nicht, den Ball zu treffen, sondern mit dem Eisen rund zehn Zentimeter davor mit voller Wucht in den Sand zu schlagen. Ja, mit voller Wucht. Nach fünf Minuten habe ich mindestens einen Kubikmeter Sand umgepflügt, der Ball liegt aber noch immer seelenruhig an seinem ursprünglichen Platz. Zwischen meinen Zähnen knirschen Sandkörner. Die Augen beissen. 

Überhaupt habe ich in meinen ersten Wochen auf dem Golfplatz gemerkt, dass man die Sportart – so seltsam das auch klingt – getrost zu den Risikosportarten zählen kann. Gut, der Bienenstich von meinem zweiten Trainingstag mag etwas Pech gewesen sein. Die Blasen an der Hand scheinen dagegen schon fast dazuzugehören. Und ich ärgere mich, den Handschuh, den mir die Verkäuferin im Golfshop am ersten Tag gab, nicht von Beginn an angezogen zu haben. Auf jeden Fall ist mein Handcrème-Bedarf in den letzten Wochen massiv gestiegen.

Sand in den Augen, Bienenstich am Rücken, Blasen in der Hand – okay, das reicht noch nicht ganz zur Risikosportart. Aber da sind noch die Bälle, die sich manchmal «selbstständig» machen und dabei zur Gefahr für andere Golfer werden können. «Fore» muss man in diesem Fall schreien, so steht es im Knigge. Golfer wissen dann, dass sie sich ducken und den Kopf schützen sollen. Was im Knigge ebenfalls vermerkt ist: Auch wenn niemand getroffen wurde, sollte man sich anschliessend entschuldigen. Ja, auch bei Risikosportarten darf die Höflichkeit nicht fehlen.

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