×

Golf im Bett

Roman
Michel
23.07.20 - 09:03 Uhr
«Theorie-Bibel»: Wer golfen will, muss die Regeln kennen. PRESSEBILD
«Theorie-Bibel»: Wer golfen will, muss die Regeln kennen. PRESSEBILD

Teuer, elitär, versnobt - kaum eine Sportart ist derart mit Vorurteilen behaftet wie das Golfen. Zurecht? Unser Sportjournalist Roman Michel will’s wissen und macht diesen Sommer den Selbsttest. Von 0 bis zur Platzreife. 

Dann fliegt er. Und ich irgendwie mit ihm. Immer höher. Vor allem: immer weiter. Regungslos stehe ich da. Die Hände noch immer über meiner Schulter. Der rechte Fuss leicht angeknickt. In den Ohren hallt dieses metallene Geräusch nach. Dieser Klang, wenn Eisen auf Ball trifft. «The sound of Golf», der mir im Moment des Abschlags bereits gesagt hat: Das kommt gut. Und wie es gut kommt. Der Ball fliegt. Und fliegt. Bis er als gelber Punkt irgendwo im Rasen landet. Ist das das Gefühl, von dem so viele Golfer schwärmen? Diese Leichtigkeit? Diese Freiheit? «Wow, ziemlich genau 100 Meter», sagt Paul, mein Lehrer in der Golf Academy des Golf Club Heidiland, «not bad für die vierte Lektion.» Mit einem Ruck bin ich zurück am Boden. 100 Meter? Nur 100 Meter? Die gelbe Fahne, die die 100er-Marke auf der Driving Range markiert, flattert im Wind. Ja, vielleicht hat Paul recht. Die Leichtigkeit ist plötzlich weg. Trotz Golfhandschuh spüre ich die Blase an meiner linken Hand. Der Rücken schmerzt. Schon nach einer halben Stunde Training. Nur das metallene Geräusch bleibt in meinen Ohren. Und die Worte von Paul: «Ich denke, wir können schon bald mit der Prüfung beginnen.» 

100 Meter. Nur 100 Meter? Abschlag üben auf der Driving Range. PRESSEVIDEO

Prüfung. Das klingt nach Schule. Nach gefühlt endlosen Lernnächten. Aber nicht nach Sport. Vielleicht habe ich darum bis anhin einen Bogen um Golfplätze gemacht. Vielleicht hat sich darum das elitäre Golfbild in meinem Kopf festgebrannt. Welche Sportart braucht schon eine Prüfung. Nein, nicht nur eine praktische. Auch eine theoretische. 47 Seiten hat das Theorie-Büchlein, das mir Paul schon am ersten Tag mitgegeben hat. Handliches A6-Format. Spiralgebunden. «Bestseller, 1,5 Millionen Mal verkauft» steht unübersehbar in pink auf dem Cover. Wie viele davon die Prüfung geschafft haben, hätte mich fast mehr interessiert. Wobei: Gemessen an der Anzahl Golfer auf dem Platz dürfte die Durchfallquote nicht allzu hoch sein. 

Doch ob sie alle Regeln intus haben? Ob sie wissen, dass ein Spieler, der fünf Minuten zu spät auf dem Platz erscheint, disqualifiziert wird? Dass ein Spieler die Runde nicht «ohne triftigen Grund» (z.B. lediglich wegen starken Regens) unterbrechen darf? Oder dass nicht mehr als 14 Eisen im Bag erlaubt sind? Immer dabei sein darf hingegen das Regel-Büchlein. Immerhin. Und auch bei der Theorie-Prüfung ist es zum «Spicken» erlaubt. Wobei: Waren nicht die Tests mit Hilfsmittel in der Schule jeweils die schwersten? Zumindest mir ging es meist so ...

Auf jeden Fall habe ich die Biografie von Pep Guardiola von meinem Nachttisch in die Schublade verlegt. Als Bettlektüre gibt es seit einigen Tagen eine Dosis Golf-Regeln. Nur von Abschlägen über 150 Metern träume ich nicht. Das will ich auf dem Platz schaffen. 

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.