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Greta # Corona

Hans Peter
Danuser
16.06.20 - 04:30 Uhr

Hans Peter Danuser und Amelie-Claire von Platen sind im Engadin zu Hause und zeigen uns ihren Blickwinkel. Was bewegt Land und Leute? Wo ist das Engadin stark und wo hinkt es einzelnen Mitbewerbern hinterher? Und was geschieht auf politischer Bühne? Der Blog «Engadin direkt» berichtet persönlich und authentisch.

Greta und Corona sind zwei global bekannte Namen mit hoher Relevanz und Aktualität. Einer steht für Klimaschutz wegen Erderwärmung, der andere für eine heimtückische Seuche mit möglicher Todesfolge. Jede/r ist direkt oder mittelbar davon betroffen, diesen Frühling in extremis. Die beiden Weltprobleme sind komplett verschieden: die Klimaerwärmung ist schleichend aber fatal, die Seuche ist hier, konkret und täglich brutal. In Ihrer Wirkung gibt es aber durchaus Berührungspunkte.

Als Touristiker hatte ich stets die beiden Seelen in der Brust. Mindestens 50% des Engadiner Angebots basiert auf der einmaligen Natur dieses Hochtals auf 1800 m ü.M.: diese Landschaft, diese Luft, diese Seen, dieses Licht! Wir müssen sie schützen und Sorge dazu tragen. Sie gibt uns so viel, und wir leben von ihr. Ein vernünftiger Kurdirektor ist ein Grüner.

Gleichzeitig weibelte ich drei Jahrzehnte lang durch Amerika und Asien, um Gäste anzulocken, die ja nur mit dem Flugzeug nach Europa kommen konnten: jede/r zu Lasten von Klima und Umwelt. Die Flugzeuge wurden immer größer, die Flüge immer mehr, und die Preise erodierten.

Im Sommer 1970 zahlte ich für ein Charterflug-Ticket der Swissair nach New York retour über 2000 Franken, diesen Winter kostete Eco-Klasse wenige hundert Franken. Dreitägige Shoppingtrips nach Amerika, London oder Dubai waren bis vor kurzem der Hit.

Diesen Blödsinn hat Corona nun fürs Erste gestoppt. Solange es keinen wirksamen Impfstoff dagegen gibt, fliegt kaum noch jemand ohne starken Grund in der Welt herum. Die Lüftungs- und Temperatur- Systeme der Flugzeuge und -häfen sorgen dafür, dass Viren und Bakterien überall hingeschleudert werden. Das Übertragungsrisiko ist groß. Händedesinfektion, Masken, Abstände und weitere Maßnahmen lassen zusammen mit den bereits bestehenden Sicherheitskontrollen die Check-in Prozesse langwierig und lästig werden. Weniger Passagiere bedeuten auf Dauer höhere Preise, damit die Fluggesellschaften wirtschaftlich überleben können. Fliegen wird teurer werden. Die Mobilität war vor Corona klar zu billig – in der Luft, auf dem Wasser (Kreuzfahrten) und auf der Strasse. Corona begünstigt kurz- und mittelfristig das Auto, das dank behördlichem Druck vermehrt hybrid oder ganz elektrisch fährt – und im Kauf entsprechend mehr kostet.

Der Verkehr ist der größte «Klimasünder» in der Schweiz und verursacht ca. 15 Mio Tonnen CO2 Äquivalent/Treibhausgas -Emissionen pro Jahr im Vergleich mit den Sektoren «Gebäude» und «Industrie» mit jeweils 11 Mio.

Die Wissenschaft wird das Corona-Problem lösen, die Vernunft und der Markt hoffentlich auch das Klima-Problem. Dazu ein persönliches Beispiel: Unsere Kanti-Klasse 7b 1967 plante diesen September ein Treffen in Hamburg, weil eine Ehemalige dort wohnt und uns die neue Elb-Harmonie zeigen wollte. Da wir alle zur Corona-Risikogruppe zählen, fielen Nachtzug und Flugzeug plötzlich weg, und 800 km im Auto zu fahren, ist in diesem Alter auch mühsam. Fazit: Wir treffen uns jetzt in Promischur ob Andeer. Ganz in der Nähe davon, am schönen Lej da Vons wurden Teile des neuen Heidifilms mit Bruno Ganz gedreht. Warum also das Risiko Hamburg eingehen?

Ein Arzt und Freund von mir beschäftigt sich sehr intensiv mit dem Covid-19-Virus: medizinisch und philosophisch/politisch. Er sieht darin eine letztlich «unerklärbare Erscheinung», deren «Ursache im hemmungslosen Eindringen der Gattung Homo in die Ökosysteme der Natur zu finden ist. Die Natur (was oder wer das auch immer ist) wehrt sich gegen die von Homo verursachten Veränderungen (Klima, Giftstoffe, Artenzerstörung...), indem sie neue wirksame Mikro-Organismen produziert. (...) Wir müssen dieses Corona- Geschehen wirklich als Warnschuss sehen, sorgfältig analysieren und unser Umwelt- und Sozialverhalten neu ausrichten und organisieren». Oder in den Worten von Prinz Charles:

«Um unsere Zukunft zu sichern und Wohlstand zu schaffen, müssen wir unser Wirtschaftsmodell weiterentwickeln und den Planeten in den Mittelpunkt der globalen Wertschöpfung stellen.»

Hoffen wir, dass wir einmal mehr mit einem blauen Auge davonkommen, lassen wir es aber diesmal nicht dabei bewenden! Es könnte das nächste Mal weit übler enden.

Lese-Empfehlung zum Thema: Mögliche Auswirkungen der Corona-Pandemie - eine vierteilige Einschätzung. Der fünfte Teil ist am 11. Juni 2020 gleichenorts erschienen.

 

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