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Graubünden im Fernsehen

Hans Peter
Danuser
30.06.20 - 04:30 Uhr
BILDMONTAGE SUEDOSTSCHWEIZ.CH
BILDMONTAGE SUEDOSTSCHWEIZ.CH

Hans Peter Danuser und Amelie-Claire von Platen sind im Engadin zu Hause und zeigen uns ihren Blickwinkel. Was bewegt Land und Leute? Wo ist das Engadin stark und wo hinkt es einzelnen Mitbewerbern hinterher? Und was geschieht auf politischer Bühne? Der Blog «Engadin direkt» berichtet persönlich und authentisch.

Am Sonntagabend, den 14. Juni, am Tag vor der offiziellen Grenzöffnung zwischen Deutschland und der Schweiz nach dem Corona-Lockout strahlte SWR/ARD 20.15 Uhr, zur besten Sendezeit einen  90-minütigen Dokfilm über Graubünden aus: «Wo die Schweiz den Himmel berührt».  Motto «Schweiz mal anders». Eine neue, aktuelle, sehr sorgfältige TV-Doku über Lebensart und Ökosystem im grössten Kanton der Schweiz.

Ein besseres Timing für den darbenden Tourismus im «Land der 150 Täler» ist nicht möglich! Dabei zeigt der Film auch uns Bündnern Fakten und Zusammenhänge auf, die gerade in Corona-Zeiten wichtig, aber wenig bekannt sind:

  • Graubünden ist ein spezieller Lebensraum für Mensch, Tier und Flora in extremer Vielfalt: drei Staatssprachen mit x Dialekten, insbesondere im rätoromanischen Gebiet ...

  • Der Rhythmus der Natur bestimmt das Leben der Menschen. Gefahren wie Lawinen oder Steinschlag lehren sie Bescheidenheit und Respekt im Umgang mit der Natur. Sie prägen ihre Lebensart und «Ticks», die von den beiden sprechenden Steinböcken Gian und Giachen in der Tourismus-Werbung des Kantons auf sympathische Weise mit viel Selbstironie parodiert wird, wobei auch die lieben Touristen ihr Fett wegkriegen.

  • Ein junger Engadiner wagt und besteht letztlich die schwierige Prüfung zum Bergführer, wozu er mit einem Gast die Fiamma und den Piz Palü besteigt.

  • Ein Künstler demonstriert eindrücklich die Sgraffito-Technik zum Schmuck der typischen Engadiner Häuser.

  • Die aktuelle Wolfs-Problematik wird aus verschiedenen Blickwinkeln gezeigt: jenem des Wildhüters am Heinzenberg und Piz Beverin, des dortigen Ziegenzüchters, aber auch des Schäfers mit Schutzhunden und 1000 Schafen auf der Alp Sowana, des Jägers.

  • Der viele Wald und die Klimaveränderung: Wissenschaftler optimieren den Schutz vor Steinschlag und Lawinen  oder suchen auf dem Septimerpass nach Spuren der alten Römer, die dort vor 2000 Jahren eine kleine Garnison zum Schutz des Übergangs unterhielten.

Historische Aufnahmen von damals zeigen die Anfänge des Tourismus und auch des Automobils im Bergkanton Graubünden. Wunderschöne Luftaufnahmen zeigen  die Landschaft der Täler aus neuen Perspektiven. Der Film ist informativ, weckt Interesse und Sympathie. Er ist damit auch beste Werbung für Graubünden unter dem Corona Aspekt: Natur, Kultur, Raum, Ruhe. «Sauber und sicher» / «clean & safe», wie Schweiz Tourismus gerade wirbt.

Und der Film hat Mut zur Lücke. Die Hauptstadt Chur wird nur am Rande erwähnt, weltbekannte Bündner Marken wie Heidi, Giacometti, Glacier Express, das WEF fehlen ganz. Der Film ist für ein Jahr in der ARD-Mediathek und auch auf dem SWR-Youtube-Kanal kostenlos abrufbar. Zur Ergänzung und Vertiefung des Filmstoffes empfehle ich das neue Buch der Wahlbündnerin Virginia Bischof Knutti: «Der Kanton Graubünden. Eine geopolitische Analyse».

Die Autorin beurteilt die Situation des Kantons erfrischend aus ihrer Sicht von aussen – sachlich und frei von jeder Partei- oder Interessenspolitik. Sie bewertet eine Bahnverbindung Engadin-Vinschgau positiv (Seite 145), wirkt in ihre Gesamtschau aber gelegentlich auch utopisch, wenig realistisch. Ein ideales Eisenbahn-Konzept Graubündens hat für die Autorin nicht Chur als Zentrum und Hauptbahnhof, sondern Tiefencastel, den geographischen Mittelpunkt des Kantons. Das stärke den Zusammenhalt Graubündens und ermögliche den Anschluss an die EU-Bahnnetze in allen Richtungen.

Das ist geopolitische Theorie, die an der Realität der Bündner Finanzen, Geologie und Politik scheitert. Erst ein Splügen-Basistunnel in 50 oder noch mehr Jahren würde diese Vision verwirklichen. Thusis ist schliesslich nur 10 Fahrminuten von Tiefencastel entfernt.

P. S.:
Soeben hat 3sat TV in der Serie «Unsere wilde Schweiz» einen Beitrag über das Oberengadin gezeigt (50 min), der ab sofort in der 3sat-Mediathek abrufbar ist.

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