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Das Engadin und die EU-Frage

Hans Peter
Danuser
18.05.21 - 04:30 Uhr
BILD PIXABAY
BILD PIXABAY

Hans Peter Danuser und Amelie-Claire von Platen sind im Engadin zu Hause und zeigen uns ihren Blickwinkel. Was bewegt Land und Leute? Wo ist das Engadin stark und wo hinkt es einzelnen Mitbewerbern hinterher? Und was geschieht auf politischer Bühne? Der Blog «Engadin direkt» berichtet persönlich und authentisch.

Die Corona Krise ist auch eine Zeit zur Reflexion und Rückbesinnung auf die Basics. Eine Gelegenheit für Gespräche mit Freunden und Stammgästen des Engadins, mit denen ich teils seit Jahrzehnten in gutem Kontakt stehe. Das Tal ist ihre Ferienheimat, mit der sie emotional oft stärker verbunden sind als mit ihrem aktuellen Wohnort.

Viele sind Unternehmer, Individualisten, oft unterwegs, mit klaren Vorstellungen und Meinungen, die teils stark divergieren. Hitzige Diskussionen sind eher die Regel als die Ausnahme. Über eine Frage sind sich aber alle unisono einig: Die Schweiz soll nicht in die EU. Sie passt noch viel weniger dazu als England, das bei der Geburt des erfolgreichen Engadiner Tourismus Pate gestanden war.

Geographisch liegt unser Land zwar mitten auf dem Kontinent, von der Geschichte, dem Wesen und der Mentalität her ist die Schweiz allerdings komplett verschieden zu all den ehemaligen Monarchien der EU und deren zentralistischer Struktur.

Ein Engadiner Stammgast, den ich seit über 40 Jahren gut kenne, ist Gerhard Schwarz, mein ehemaliger Zimmernachbar im katholischen Studentenhaus an der Zwinglistraße in St Gallen. Er war Jahrzehnte bei der NZZ, lange als Leiter der Wirtschaftsredaktion und stellvertretender Chefredaktor. Später wurde er Direktor des liberalen Thinktanks 'Avenir Suisse', mit einem phänomenalen Netzwerk in der Schweizer Wirtschafts- und Politszene.

Gerade hat er mir sein aktuelles Buch zugestellt, das die EU-Frage bereits im Titel auf den Punkt bringt: ' Die Schweiz hat Zukunft. Von der positiven Kraft der Eigenart.'

Es ist eine brillante und umfassende Analyse des Sonderfalls Schweiz, einleuchtend und leicht lesbar, ohne jedes politische Kauderwelsch. 160 Seiten, klar strukturiert, leicht und 'Nachttisch-tauglich':

Die Schweiz als 'von unten gebauter Staat, als (Eid-)Genossenschaft mit institutionellen Eigenschaften: direkte Demokratie, Milizprinzip, Non- Zentralismus und Konkordanz.

Das sind die Alleinstellungsmerkmale ('USP's) dieses kleinen Landes mitten in Europa. Dazu kommen die (bewaffnete) Neutralität und die selektive Offenheit, die sich zusammen mit den ob-erwähnten Eigenschaften als idealer Raum und Biotop für erfolgreiches Unternehmertum erwiesen haben: über 170 Jahre keinen Krieg, dafür Stabilität, Berechenbarkeit, Wohlstand und guter Ruf.

Der Erfolg des Modells Schweiz rechnet sich jährlich in der eigenen Währung und zeigt sich in Spitzenpositionen von Ratings aller Art im europäischen und globalen Vergleich. Der Schweizer Franken ist deshalb so stark, weil die Welt ihm und seinem Land vertraut.

Wenn ich als Bündner das schreibe, tönt das etwas sehr selbstbewusst, um nicht zu sagen arrogant. Gerhard Schwarz hat zwar seit 40 Jahren einen Schweizer Pass, aber als Voralberger auch jene Distanz zum Thema, die seine Aussagen glaubwürdig machen. Und er ist keineswegs unkritisch. Auf 40 Seiten listet er die notwendige Schweiz-'Arbeit am Morgen' auf.

Zukunft hat zwar Herkunft, braucht aber laufend und immer mehr Reformen: Stärkung und Aktualisierung der bewährten Eigenarten, mehr Wettbewerb und Eigenverantwortung - gerade auch in Finanz- und Pandemie-Krisen, weniger Staat, Paternalismus und Überregulierung, .... Nur so bleibt die Schweiz 'exzellent anders', aber sicher nicht durch Nivellierung oder gar Aufgabe ihrer bewährten Eigenarten.

Als Markenexperte kann ich diese Thesen und Erkenntnisse von Schwarz nur bestätigen. In der komplexen Welt von heute sind ein klares Profil, Vertrauen, Qualität und Verlässlichkeit Match-entscheidend. Über 200 Staaten in der Welt und davon über 40 solche in Europa wollen das Beste für ihre Bevölkerung und Zukunft. Ohne starke Identität, Willen und Leistungsbereitschaft ist das schwierig. Die Schweiz tut gut daran, ihre bisherige Erfolgsstrategie fortzusetzen.

Das neue Buch von Gerhard Schwarz ist als Band 3 der Schriftenreihe des Schweizerischen Instituts für Auslandforschung im Verlag NZZ Libro erschienen und mit Blick auf den heiß diskutierten Rahmenvertrag mit der EU hochaktuell. Exzellente Lektüre!

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