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Voller Körpereinsatz

07.07.17 - 10:05 Uhr
YANIK BÜRKLI

In loser Folge berichten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Medienfamilie Südostschweiz aus ihrem journalistischen Alltag. Willkommen in unserem Glashaus!

Kaaaa-Wumm! Mein Kopf knallt auf den zitronengelben Boden. Ich falle in einen tiefen Schlummer. Mit dröhnendem Kopf erwache ich nach einer gefühlten Ewigkeit. Über mir sehe ich einen Kreis mit sicher zwanzig besorgten Gesichtern. Was ist das an meinem Finger? Ein Pulsmesser? Langsam dämmert mir, wo ich bin: Ich begleite doch Irina Tuor, frischgebackene Pflegefachfrau und Gewinnerin der Goldmedaille bei den Berufsmeisterschaften, bei ihrer Arbeit im Kantonsspital. Ein Porträt über die zurückhaltende junge Frau ist das erklärte Ziel des Tages. Die erste Besprechung in ihrem Team um sieben Uhr früh, das Richten der Medikamente, die Einführung in den Pflegefach-Alltag: null Problem. Ich bin ganz Ohr und beobachte, was Irina tut und sagt. Ich schreibe mit, nehme das eine oder andere Zitat auf. Spannend, wie reibungslos der Spitalalltag funktioniert, denke ich mir. Bei jeder Türe ein Warnsystem, das bei Unvorhergesehenem von Grün auf Rot gestellt werden kann.

Keine Zeit zum Staunen, Irina schiebt ihren Wagen mit Computer schneidig ins Zimmer von Frau W., sie liegt nach einer Beinamputation im Bett. Irina erklärt mir alles, sie spricht die Patientin ruhig an. Eine ganz normale Situation. Aber nicht für mich. Die warme Luft, das fehlende Frühstück, die Gedanken zur Operation, wie sich dieser Beinstumpf wohl anfühlt? Mir wird langsam, aber sicher etwas mulmig. Ich stehe tapfer auf, murmle etwas von «Ich warte draussen …» und setze mich auf einen Stuhl vor dem Patientenzimmer. Uff. Erst mal durchatmen, und dann … nichts mehr. Das Aufnahmegerät dokumentiert den kleinen Ohnmachtsanfall fleissig weiter. Die Alarmbereitschaft der Crew ist beeindruckend, innert Sekunden wurde erfasst, dass hier etwas geschehen ist, und sei es nur eine kurzzeitig weggetretene Journalistin. Die Kommunikationsbeauftragte muss für einmal nicht die Medien informieren, sondern diese sorgfältig an einer Hand nach draussen führen. Augen zu und durch, heisst es nun: Bleich und zittrig starte ich mit der sichtlich erstaunten und besorgten jungen Frau ein Interview. Fallsicher auf einem Stuhl fixiert. Wieder voll einsatzbereit. Naja. Fast. 

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