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Trump Reloaded

Stefan
Schmid
08.01.19 - 04:30 Uhr
KEYSTONE
KEYSTONE

In loser Folge berichten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Medienfamilie Südostschweiz aus ihrem journalistischen Alltag. Willkommen in unserem Glashaus!

von Stefan A. Schmid

Es war eine Premiere: Donald Trump besuchte vor einem Jahr das World Economic Forum in Davos, das alljährliche Stelldichein der Superreichen und Mächtigen dieser Welt. Und weil Trump nun einmal Trump ist – und weil er der erste amtierende US-Präsident seit Bill Clinton vor 18 Jahren war, der dem WEF die Aufwartung machte, war die (mediale) Aufregung besonders «great». Seine Vorgänger George W. Bush und Barack Obama hatten das WEF-Jahrestreffen jeweils links liegen gelassen und die zweite oder dritte Garde der US-Politik in die Schweizer Berge delegiert. Anders Trump, der die grosse Bühne in Davos selber nutzen wollte, um seine Wirtschaftspolitik («America first») im besten Licht präsentieren zu können.


Eine Premiere war es auch für mich: Zum ersten Mal durfte ich im vergangenen Januar als Nachfolger unseres langjährigen WEF-Korrespondenten René Mehrmann für die Leserinnen und Leser der «Südostschweiz» aus dem Davoser Kongresszentrum berichten. Der Trump-Besuch – respektive das ganze Drumherum – stellte natürlich alles andere in den Schatten. Auch wenn Trumps Rede wenig substanziell Neues an den Tag brachte und sich der US-Präsident vor allem darin gefiel, sich selbst zu gefallen, durfte man als WEF-Berichterstatter doch ein bisschen das Gefühl haben, gerade ein Stück Schweizer Politgeschichte hautnah miterlebt zu haben.

Dieses Gefühl schien sich während Trumps Auftritt auch auf die anderen Zuschauer im bis auf den letzten Platz besetzten Plenarsaal des Kongresszentrums übertragen zu haben. Beim Einlass wurden die spitzen Ellbogen ausgefahren, um möglichst einen der vorderen Plätze ergattern zu können. Als der US-Präsident dann die Bühne betrat, wurden die Smartphones gezückt. Der Moment sollte schliesslich für Freunde, Bekannte oder wen auch immer festgehalten werden. Und dies von hochkarätigen Politikern und Chefs milliardenschwerer Grossunternehmen, die sich täglich gewohnt sind, selber im Rampenlicht zu stehen. Ein wenig fühlte man sich an ein Boygroup-Konzert der Neunziger versetzt. Halt mit deutlich ergrautem Zielpublikum und geringerem musikalischem Unterhaltungswert – wobei Trump bei seinem Einmarsch vom Freiburger Blasorchester Landwehr empfangen wurde. 

Für den Höhe- oder besser Tiefpunkt dieser grassierenden Trump-Hysterie hatte allerdings bereits am Vortag der Chefredaktor einer grossen Schweizer Boulevardzeitung gesorgt, als er vom US-Präsidenten ein Autogramm ergatterte und sich darüber diebisch freute. Was man als humorvolle PR-Aktion abtun kann, ist nichts anderes als eine plumpe Anbiederung und der Verlust jeglicher Distanz zu einem Politiker, dem die vierte Gewalt eigentlich besonders genau auf die Finger schauen sollte.

Trump selber scheint das ganze Brimborium gefallen zu haben. Er hat angekündigt, in zwei Wochen erneut nach Davos zu kommen – diesmal in Begleitung von Tochter Ivanka und Schwiegersohn Jared Kushner. Einem Wiedersehen steht also nichts im Weg. Wobei eines klar ist: Mein Handy bleibt in der Hosentasche, und ein Autogramm will ich auch keins.

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