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Sturz, Druck in der Schule und der erste Weltcuppunkt

Südostschweiz
07.03.19 - 04:30 Uhr
Luana Flütsch blickt auf einen ereignisreichen Start ins Jahr 2019 zurück.
Luana Flütsch blickt auf einen ereignisreichen Start ins Jahr 2019 zurück.

Spitzensport – für die meisten Athletinnen und Athleten bedeutet dies harte Arbeit, Entbehrungen und eine grosse Portion Leidenschaft. Im Format «Sportlerblog» schreiben junge Bündner Sporttalente über ihren Weg an die Spitze.

von Luana Flütsch

Die 24-Jährige aus St. Antönien ist Skirennfahrerin im B-Kader von Swiss Ski. Vergangene Saison debütierte sie im Weltcup. Dies, nachdem sie sich von einer komplizierten Schienbeinverletzung zurückgekämpft hatte. Im aktuellen Blog beschreibt Flütsch unter anderem, wie sie in Crans Montana ihren ersten Weltcup-Punkt gewann.

Wie so oft sind die Monate Januar und Februar extrem intensiv, die Zeit fliegt regelrecht dahin. Ende Januar durfte ich in Garmisch meinen ersten Weltcup-Super-G bestreiten. Es war gleichzeitig mein erstes Weltcup-Rennen in dieser Saison. Leider verlief der Tag alles andere als wunschgemäss. Ich stürzte nach guten Zwischenzeiten heftig. Aufgrund einer etwas zu direkten Linienwahl und Neuschnee neben der Ideallinie verkantete mein Aussenski und zog mich in hoher Geschwindigkeit in eine Art Spagat-Position.

Die ersten Sekunden waren schrecklich, mir verschlug es den Atem und deshalb spürte ich meine Beine für einen Augenblick nicht mehr richtig. Ich ging vom Schlimmsten aus, doch schon bald kam das Gefühl in meinem Körper zurück und ich rief: «Ich bin ganz».

Nach dem Schreckmoment die Erleichterung. Es ist noch alles «ganz». KEYSTONE
Nach dem Schreckmoment die Erleichterung. Es ist noch alles «ganz». KEYSTONE

Nach dem Schienbeinbruch und den darauffolgenden Komplikationen ist mein Kopf bei Stürzen schreckhafter geworden und die Dankbarkeit umso grösser, wenn ein Zwischenfall glimpflich ausgeht. Es war ein Gefühls-Mix aus Schock, Enttäuschung, Freude und Dankbarkeit, der mich die nächsten Stunden begleitete. Im Nachhinein gab mir dieser Sturz Bestätigung, dass meine Fitness stimmt – und damit noch mehr Vertrauen in meinen Körper. Manchmal sind Stürze wichtig!

Strapaziertes Kurzzeitgedächtnis

Es folgte eine etwa zweiwöchige Skipause, die ich für das Konditionstraining und vor allem auch für die Schule optimal nutzen konnte. Denn während ich Woche für Woche unterwegs bin, schlafen meine Schulkollegen- und Kolleginnen nicht und der Berg des versäumten Stoffs wächst und wächst. Dank der Flexibilität der WSKV Chur kann ich Prüfungen auch an anderen Tagen nachholen. Da einfach nicht mehr Zeit bleibt, heisst es, soviel Stoff wie möglich in kürzester Zeit in das Kurzzeitgedächtnis zu schaufeln, auch wenn das in ein paar Tagen bereits wieder leicht in Vergessenheit gerät. Manchmal würde ich am liebsten im Boden versinken, doch schlussendlich geht immer alles irgendwie und für die geistige Herausforderung bin ich letztlich auch sehr dankbar.

Mit erholtem Körper und Geist und aufgearbeiteten Lücken in der Schule ging es wieder los im Skigeschehen. Das Vertrauen kam relativ schnell zurück und die Resultate in den Europacupabfahrten von Crans Montana stimmten mich positiv, auch wenn Top-Rangierungen ausblieben. Die Woche darauf folgte nämlich bereits die Weltcupabfahrt und Super Kombination, ebenfalls in Crans Montana. Für die Abfahrt mussten wir intern noch Ausscheidungen fahren, was immer für etwas spezielle Stimmung sorgt. Nach dem misslungenen ersten Training wollte ich am nächsten Tag einfach nur skifahren, so wie ich es immer tue – Qualifikation hin oder her. Das gelang mir sehr gut und ich fuhr knapp an den Top 30 vorbei und sicherte mir damit den Startplatz für die Abfahrt. Nur schon dieser Schritt erfüllte mich mit Freude, denn solche Ausscheidungen sind mental nicht immer einfach handzuhaben.

In Crans Montana gewinnt Luana Flütsch ihren ersten Weltcuppunkt. KEYSTONE
In Crans Montana gewinnt Luana Flütsch ihren ersten Weltcuppunkt. KEYSTONE

Der Renntag war von Zeitproblemen und grossen Unterbrüchen geprägt. Die Temperaturen spielten verrückt und die Piste war von der starken Sonneneinstrahlung ziemlich gezeichnet, dennoch war ich am Start einfach nur glücklich und zufrieden. Die Fahrt war locker und bis zum Zielhang schnell, im letzten Abschnitt waren die Verhältnisse wirklich extrem schwierig und man fand im Sulz kaum mehr Halt. Der Blick auf die Zeittafel und das zahlreich erschiene Heimpublikum waren – und sind es immer noch – einmalig. Schlussendlich reichte es für den 30. Rang und ich war einfach nur unglaublich glücklich, trotz aller Umstände in meiner ersten Weltcup-Abfahrt gleich den ersten Punkt gewonnen zu haben. Diesen Tag mit meinen Eltern, meinen beiden grössten Sponsoren und Unterstützern zu geniessen, war fantastisch.

Die Kombination am nächsten Tag verlief dann nicht mehr wunschgemäss. Nach einem grossen Fehler im oberen Teil folgte das Out vor dem Ziel. Solche Momente gehören genauso dazu und ich konnte nach einer kurzen Phase der Enttäuschung den Tag dennoch geniessen und mich für meine Teamkolleginnen freuen.

Nun folgt der Schlussspurt

Dann ging es zur nächsten Weltcup-Station nach Sotschi. Doch nach fünf Tagen eingeschneit in Russland, sind wir ohne Rennen wieder zurück in der Schweiz. Schade, aber so ist das eben bei einer Sportart draussen in der Natur. Nun steht nochmals ein intensiver Schlussspurt bevor, mit dem Europacup-Finale in Sella Nevea und den direkt darauffolgenden Schweizermeisterschaften.

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