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Schöne Leere

Single
Böckin
24.04.20 - 07:31 Uhr
PEXELS
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Bau ein Haus, pflanz einen Baum, mach ein Kind – dass dieser Lebensentwurf nicht zwangsläufig auf jeden Menschen zugeschnitten ist, beweisen die anonymen Liebesbriefe ans wunderschöne, elende Single-Leben. Ein Hoch auf Selbstgespräche, Dosen-Ravioli und Liebeleien.

Verlieben und entlieben passiert mir ziemlich oft. Zwar ist der Ausdruck «Liebe» etwas stark, aber das Vergucken geschieht schon schnell. Irgendjemand spukt quasi dauernd in meinem Kopf umher und wenn nicht, dann such ich mir jemanden, der sich in meinen Gedanken einnistet.

Momentan bin in meinem Kopf aber nur ich. Ich und sonst niemand und das ist ein unbekanntes Gefühl. Das Kennenlernen von neuen Leuten ist im Moment ausgebremst und durch die Quarantäne verbringe ich mehr Zeit mit mir, als ich es in den letzten fünf Jahren getan habe. Diese Leere schafft Platz für Neues und lässt mir Raum, um zu reflektieren.

Ich beginne zu realisieren, wie schön alleine sein, sein kann und auch, wie gut es mir tut. Das Gefühl, nur mit einem Partner komplett zu sein schwindet und ich beginne, die schönen Seiten des Singlelebens zu geniessen.

Ich kann tun was ich will und wann ich es will. Ohne Rücksicht auf jemand anderes kann ich den gesamten Tag im Bett verbringen, selbst wenn draussen die Sonne am stahlblauen Himmel strahlt. Wenn mich früh morgens die Motivation packt und ich die Wohnung saubermachen will, dann hält mich niemand auf. Die gesamte Netflix-Datenbank steht mir uneingeschränkt zur Verfügung und das stundenlange Aussuchen eines Films oder Serie, die beiden gefällt, bleibt mir erspart. Ich werde beim Lesen nicht unterbrochen und beim Kochen schaut mir niemand mit kritischem Blick über die Schulter. Neben mir im Bett ist es ruhig, kein Schnarchen und kein Kampf um den Platz.

Der Fokus liegt voll und ganz auf mir und das ist gut so! Ich lerne meine Bedürfnisse besser kennen und so klischeehaft es sich auch anhört: Ein Selbstoptimierungsprozess setzt ein.

Vielleicht liegt es nur an der Selbstisolation, die scheinbar etwas ist, das ich gebraucht habe. Kann gut sein, dass der Wunsch nach Zweisamkeit sich verstärkt, sobald wieder etwas Normalität in unser Leben zurückkehrt und ich meine vier Wände wieder regelmässiger verlasse. Doch für den Moment, finde ich es gut so, wie es ist. Sehr gut sogar.

Ich hoffe, ich werde meine Lehren aus dieser Zeit ziehen und wenn ich mich dann wieder auf ein Neues verguckt habe, mich selbst nicht mehr komplett aussen vorlasse. Mehr Reflektion, weniger Hals über Kopf und mit vollem Karacho hineinstürzen.

Ihr werdet von mir hören und auch dieses Mal gilt: Liebt euch selbst ein bisschen!

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