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Medien: Wer informiert sich 2020 wo und wie?

Fachhochschule
Graubünden
15.11.18 - 15:00 Uhr

An der Fachhochschule Graubünden wird ausgebildet und geforscht. Über 2000 Studierende besuchen Bachelor-, Master- und Weiterbildungsstudiengänge. In diesem Blog geben Studierende, Dozierende und Mitarbeitende Einblicke in den Hochschulalltag und in Themen, welche sie gerade beschäftigen.

Von Matthias Künzler

Wir Mediennutzerinnen und -nutzer sind auf regelmässige Informationen über Politik, Wirtschaft, Gesellschaft angewiesen – sei es, um kompetent abstimmen oder um Veränderungen unseres Alltagslebens einschätzen zu können. Allerdings stellt sich die Frage, ob wir uns im digitalen Zeitalter noch über gesellschaftsrelevante Themen informieren (wollen) und falls ja: wie.

Dieser Frage ist das Institut für Multimedia Production im Rahmen einer Studie über das Mediennutzungsverhalten der rätoromanischen Sprachbevölkerung nachgegangen. Aus den Gruppendiskussionen liessen sich zwei vorherrschende Nutzungsmuster konstruieren: 1.) Ältere Mediennutzer haben sich im Tagesablauf wiederkehrende Zeitfenster zum Konsum von Medieninhalten eingerichtet (entspricht traditioneller Nutzung). 2.) Mediennutzerinnen und -nutzer jüngeren und z.T. mittleren Alters konsumieren Medien zeitversetzt und mobil. Die Inhalte finden sie entweder auf der RTR-App oder stossen durch Empfehlungen auf Messengern, sozialen Netzwerken oder Push-Meldungen darauf.

Die rätoromanischsprachige Bevölkerung ist damit digital affin. Ihr Mediennutzungsverhalten unterscheidet sich nicht wesentlich von jenem im «Unterland», wie diverse kommerzielle und universitäre Studien zeigen. In der gesamten Schweiz nimmt die zeitversetzte TV-Nutzung zu: Bereits ein Fünftel der Jugendlichen schaut sich Inhalte traditioneller Fernsehsender zeitversetzt an. Allerdings ist nicht das Fernsehen, sondern das Smartphone das Lieblingsmedium dieser jungen Bevölkerungsgruppe; alle Jugendlichen ab 12 Jahren besitzen eins.

Wie die Rätoromaninnen und Rätoromanen gelangt auch die junge Zielgruppe entweder über Apps bekannter Medienmarken (v.a. «20 Minuten», «Blick», «SRF», «Tages-Anzeiger») oder aber über Empfehlungen von «Freunden» auf Facebook, Youtube und Co. auf publizistische Inhalte.

Bild 1: Anteil zeitversetztes TV am gesamten Fernsehkonsum in %, 15-29-Jährige, Mo-So. 24h

Quelle: Mediapulse (2017: 5)
Quelle: Mediapulse (2017: 5)

Bild 2: Geräteverfügbarkeit von Jugendlichen 12-19 Jahre in Haushalten in % (2018)

Quelle: Süss et al. (2018: 18)
Quelle: Süss et al. (2018: 18)

Bild 3: Tägliche Nutzung ausgewählter Internetangebote in % schweizerischer Internetnutzer ab 14 Jahren

Quelle: Latzer et al. (2017: 30)
Quelle: Latzer et al. (2017: 30)

Bild 4: Art des Zugriffs auf Online-News im internationalen Vergleich

Quelle: fög (2017: 13)
Quelle: fög (2017: 13)

Bild 5: Top Social Networks in der Schweiz im Vergleich zum Ausland (alle Altersgruppen)

Quelle: fög (2017: 17)
Quelle: fög (2017: 17)

Dieses Nutzungsverhalten dürfte den Trend für 2020 weisen: lineare Nutzung existiert weiterhin, die mobile und zeitversetzte Nutzung nimmt zu. Dies bedeutet, dass nicht mehr wir die Inhalte gezielt suchen, sondern dass uns die Inhalte finden, indem wir über Push-Meldungen, algorithmen- und freundesbezogene Empfehlungen in sozialen Netzwerken auf sie stossen. Nachrichten werden in unserem Medienkonsum weiterhin eine Rolle spielen, müssen jedoch mit Musikhören, Chatten über Messenger, Onlinespielen etc. konkurrieren.

Deshalb dürfte für etablierte Medienunternehmen das Geschäft mit Inhalten anspruchsvoller werden. In Zukunft genügt es nicht mehr, spannende Talk-Gäste einzuladen oder ein neues Format zu kreieren. Das Medienangebot muss auch auf Facebook, Youtube und für die junge Zielgruppe zunehmend auf Instagram, Snapchat etc. beworben und verbreitet werden.

Um in diesem Transformationsprozess der Gesellschaft, privaten und öffentlichen Medienunternehmen Entscheidungsgrundlagen zu liefern, untersucht ein Projektteam des Instituts für Multimedia Production der HTW Chur und der Universität Basel das Mediennutzungsverhalten der jungen Bevölkerung. Es analysiert, welche Formatinnovationen an dieses Nutzungsverhalten angepasst sind und was diese Veränderungen für den Produktionsprozess bedeuten. Dieses Projekt «Service Public: Publikumsakzeptanz und Zukunftschancen» wird vom SNF – Schweizer Nationalfonds finanziert.

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Studien zur Mediennutzung der rätoromanischsprachigen Bevölkerung:

Arnet, Martin/Künzler, Matthias (2016): Das RTR-Programmangebot in der Bewertung seines Publikums. Forschungsbericht zuhanden von RTR – Radiotelevisiun Svizra Rumantscha. Chur: IMP/HTW Chur.

Herzig Gainsford, Yvonne/Künzler, Matthias (2016): Rätoromanen in der Schweiz. Sekundäranalyse der Strukturdatenerhebungen 2010-2014. Forschungsbericht zuhanden von RTR – Radiotelevisiun Svizra Rumantscha. Chur: IMP/HTW Chur.

Zitierte Studien:

fög - Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft (2017): Reuters Institute Digital News Report. Ergebnisse Schweiz 2017. Zürich: fög/Universität Zürich.

Latzer, Michael/Büchi, Moritz/Festic, Noemi/Just, Natascha (2017): Internetanwendungen und deren Nutzung in der Schweiz 2017. Themenbericht aus dem World Internet Project – Switzerland 2017. Zürich: Universität Zürich.

Mediapulse (2017): Zeitversetzte TV-Nutzung steigt weiter an. Medienmitteilung vom 12.01.2017. Bern.

Suter, Lilian/Waller, Gregor/Bernath, Jael/Külling, Céline/Willemse, Isabel/Süss, Daniel (2018): JAMES - Jugend, Aktivitäten, Medien - Erhebung Schweiz. Ergebnisbericht zur JAMES-Studie 2018. Zürich: Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

 

Dies ist ein Blogbeitrag der HTW Chur.

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